Das sagt der Experte Wandel der Unternehmenskultur: „Es gibt immer einen Dresscode“

Düsseldorf · Ein Psychologe erklärt, warum ein Stilguide für Unternehmen eine gute Idee ist.

Der Autor und Kleidungsexperte Frank Berzbach.

Foto: Björn Fehl

Was ist von Stilguides wie von der Düsseldorfer Stadtsparkasse zu halten?

Frank Berzbach: Es gibt immer einen Dresscode, entweder einen heimlichen oder einen offenen. Ein vom Unternehmen vorgegebener Stilguide macht es für alle einfacher, weil man sich darauf berufen kann. Ohne Stilguide sind Mitarbeiter damit beschäftigt, ihre Vorgesetzten und Kollegen zu beobachten und sich anzupassen. Das ist aber manchmal schwierig, weil nicht jeder ein Gefühl für Situationsangemessenheit hat. Für Berufseinsteiger ist es eine Herausforderung. Wenn ein Unternehmen nachvollziehbare Regeln vorgibt, sind zudem alle besser gekleidet und erzeugen ein homogeneres Bild nach außen.

Viele Unternehmen machen jedoch keine Vorschriften.

Berzbach: Wenn keine Regeln vorgegeben werden, bedeutet das nie, dass es keine gibt. Die Unternehmensführung legt dann mit der eigenen Kleidung die Messlatte auf eine bestimmte Höhe. Ohne Vorschriften müssten die Chefs eigentlich aushalten, dass jeder zur Arbeit kommt, wie er möchte. Das geht aber sehr selten gut. Übrigens gibt es auch in den „jungen“ Branchen, die bewusst locker sein wollen und Streetwear bevorzugen, einen Dresscode: Anzug und Krawatte sind tabu. Man gerät unter Druck, modisch und kreativ zu sein, darf nicht langweilig wirken. Also selbst Leute in hippen Agenturen haben es da nicht immer leicht.

Beobachten Sie generell eine Lockerung von Kleidungsvorschriften im Beruf, die sich ja bei vielen prominenten Führungskräften niederschlägt?

Berzbach: Da haben wir meist nur Mark Zuckerberg oder Steve Jobs vor Augen; in die Breite gesehen herrscht noch immer klare Monotonie. Unternehmenskulturen sind sehr unterschiedlich: man muss einen Mittelweg finden zwischen altbackenen Vorschriften und dem neuen Zwang zur Formlosigkeit. Es gibt Branchen, die vertragen mehr Lockerheit; andere sollten endlich beginnen, sich formbewusster zu kleiden, damit ihre Berufsgruppen ernster genommen werden.

Welche Konsequenzen hat die Lockerung des Kleidungsstils?

Berzbach: Kleidung hat starken Einfluss auf uns, auf unsere Konzentration, auf das Selbstbild und Selbstwertgefühl. Man bewertet Menschen zuerst einmal stark nach dem Äußeren, das ist Fluch und Segen zugleich. Wenn es ernst wird, dann möchten wir keine Formlosigkeit. Durch die Lockerung der Kleidungsvorschriften wollen Unternehmen modern und zeitgemäß wirken, aber dass sollten Sie eher über andere Aspekte der Personalführung machen. Lockere Kleidung bedeutet leider nicht, dass das Klima im Unternehmen auch sonst liberaler ist. Es scheint nur so.

Welchen Tipp geben Sie Mitarbeitern und Unternehmen?

Berzbach: Unternehmen sollten sich der Frage souverän stellen und nicht alles im Verborgenen lassen. Einen Stilguide finde ich nützlich, weil jeder nachlesen kann, was Sache ist. Wie eng oder wie weit die Regeln sind, könnte man mit Mitarbeitern und Betriebsrat aushandeln. Unternehmen, die ein homogenes Bild nach innen und außen vermitteln, werden meist ernster genommen. Und für die Mitarbeiter gilt: sie sollten die Bedeutung angemessener Kleidung nicht unterschätzen. Kleidung ist eben nicht eine subjektive Entscheidung, es geht nicht nur oder vorrangig darum, sich „wohl zu fühlen“. Man kann diese wichtigen Fragen nicht den Gefühlen des Einzelnen überlassen, zumindest nicht in der Arbeitswelt oder bei wichtigen gesellschaftlichen Anlässen. Die Deutschen sind recht formlos, und dann aber leider bei anderen Themen zu streng.

 
Frank Berzbach (Jahrgang 1971) unterrichtet Psychologie an der ecosign Akademie für Gestaltung und Kulturpädagogik an der Technischen Hochschule Köln.  In seinem Buch „Formbewusstsein“ setzt er sich etwa mit Form und Bedeutung von Kleidung auseinander. Weitere Publikationsschwerpunkte: Kreativität und Arbeitspsychologie.