Brendan Kronheim: Schräge Bilder in schrägen Zeiten
Die Glashausgalerie präsentiert den österreichischen Maler und Interventionskünstler Brendan Kronheim. Ein Spiel mit Bildern und Titeln.
Düsseldorf. Es begann mit einer Fehde. Der österreichische Maler und Interventionskünstler Brendan Kronheim traf auf eine ostdeutsche Künstlerin. Das war vor gut zehn Jahren während eines Stipendiums in Warschau. „Sie hat geglaubt, sie kann sich meiner Ideen bedienen und ich da habe mir gedacht, ich muss mich dezidiert mit der DDR auseinandersetzen“, erinnert sich Kronheim. So entstand sein Gemälde-Zyklus „Nova Germania“, der nun zusammen mit der Werkgruppe „hoek of the brave“ in der Glashausgalerie zu sehen ist.
Farbige Gemälde aus Öl, Acryl und Kreide. Eines zeigt ein monumentales Kriegsdenkmal in einem Park. Davor posiert eine Reihe von Militärs und politischen Würdenträgern. Vor dem Ehrenmal erscheinen sie wie winzige Spielzeugfiguren. Die Szenerie könnte in Russland oder Polen sein. Spielt sich aber im Treptower Park in Berlin-Köpenick ab, wie der Titel verrät. Ein anderes Bild nimmt den Ausschnitt einer Industrieanlage ins Visier: Gasometer, Rohrleitungen, qualmende Schlote. Vielleicht das „Gaskombinat Schwarze Pumpe“, das bis 1989 das größte Braunkohleveredelungsbetrieb der Welt war? Oder ein Kraftwerk im Ruhrgebiet? Bleibt offen. Wiederum ein anderes Gemälde fängt drei Flugzeuge ein, die nebeneinanderstehen, mit ausgefahrener Gangway, kurz vor dem Start, vor dem hintersten eine Schlange von Passagieren — auch sie wirken vor den blechernen „Riesenvögeln“ winzig klein. Ein Werbebild für eine Flugzeugflotte? Bleibt unklar. Auch die Titel liefern meistens keine genauen Aufschlüsse. Sie lauten: „Treptow — Aktivitätenprotokoll“, „Chronik“ oder „Start-seite“.
Kronheim treibt ein raffiniertes Spiel mit Bildern und Titeln. Die Motive basieren auf Fotos, die der Künstler in DDR-Propaganda-Bildbänden aus den 1950er und 1960er Jahren entdeckt hat. Kronheim hat Ausschnitte ausgewählt und auf die Leinwand gesetzt. Erkennbare Zeichen wie Parteilogos hat er ausgespart. Die Titel hatder Künstler von den „Facebook“-Funktionen entlehnt, mit denen die Nutzer des sozialen Netzwerks tagtäglich hantieren, auch er selbst: „Abonniert“ oder „Privatsphäre bearbeiten“. Kronheim zieht Parallelen zwischen den Fotografien aus dem Propaganda-Apparat der DDR und den Bildern auf „Facebook“. „Wir haben durch die Digitalisierung extrem viele unterbewusste Botschaften aus anderen totalitären Systemen schon längst übernommen. Die heutigen totalitären Systeme sind Google, Facebook, auch Amazon und YouTube“, so der Maler.
Doch plakative Rebellion gegen globale Internet-Riesen ist Kronheims Sache nicht. Er arbeitet als politisch-ironischer Künstler. So postet er seine Gemälde aus „Nova Germania“ auch auf „Facebook“. Eine subversive Provokation. Die Malerei eigne sich dafür perfekt, betont Kronheim. Und auch da hat sich der 47-jährige Wiener etwas Originelles einfallen lassen: Alle Gemälde hängen schräg an den Wänden, manche hat er auf dem Boden arrangiert. Außerdem sind sie sind interaktiv angelegt. Die Besucher können sie anfassen, hin- und herschieben oder ihnen einen kräftigen Schubs verpassen, sodass sich die Bilder einmal um ihre eigenen Achsen drehen. Dank Dübel, Schraube und Drahtseil lassen sich die Gemälde in mobile Skulpturen verwandeln, mit wechselnden Perspektiven, je nachdem, an welcher Stelle sie stehenbleiben.
„Gerade in schrägen Zeiten können wir schräge Bilder malen“, meint Kronheim. Die Idee reicht zurück zu seinen sogenannten „Tischbildern“, ein Genre, das er 2001 erfunden hat. Sie ließen sich nicht nur um 360 Grad drehen. Auf ein Gemälde legte der Künstler auch eine Glasplatte und nutzte sie als Kaffeetisch. Eine Aktion gegen die Musealisierung von Malerei. Kronheim hat die Malerei spielerisch und hintersinnig erweitert. Deswegen lohnt sich ein Besuch der Glashausgalerie (Kapuzinergasse 24) bis zum 13. April unbedingt.