Die FDP im Jahr nach dem Rausch
Der Parteitag der Liberalen am Samstag war mit zwei Fragen verbunden: Wo steht die Partei nach den beiden großen Wahlerfolgen? Und ist die herausragende Rolle von Marie-Agnes Strack-Zimmermann Fluch oder Segen?
Es braucht einige Fantasie, um sich eine Aufgabe auszudenken, die noch dankbarer ist, als als Düsseldorfer FDP-Vorsitzende den Bericht für das Jahr 2017 vorzutragen. Die hiesigen Liberalen haben im Mai und im September zwei große Wahlerfolge gefeiert, sind in Land und Bund wieder mit eigenen Abgeordneten vertreten. Das bewertete die Basis offensichtlich ähnlich, denn sie bestätigte die Berichterstatterin, Parteichefin Marie-Agnes Strack-Zimmermann mit 82,6 Prozent der rund 150 Stimmen im Amt. Doch wie geht es weiter mit der FDP? Eine Analyse:
Düsseldorf Den Vor-Ort-Chef Manfred Neuenhaus umgibt ein Mythos, als sei er die Hauptfigur der TV-Serie „House of Cards“. Stratege, Strippenzieher, Mastermind sind Begriffe, die in diesem Zusammenhang gerne verwendet werden. Richtig ist: Der Fraktionschef im Düsseldorfer Rathaus ist analytisch stark, besitzt den Mut und die rhetorische Klasse, aus den Ergebnissen seiner Analysen auch handfeste Wirkung für die FDP zu erzielen. Neuenhaus ist eine perfekte Hälfte des Duos, das er mit Strack-Zimmermann gebildet hat. Da diese nun auch auf Bundesebene aktiv ist, fehlt der FDP etwas. Neuenhaus ist nicht der Mann, der als Aushängeschild die Leute im großen Stil mitreißt, kein Mann mit besonderem Bekanntheitsgrad. Er ist der Mann, der die Wahlkämpfe plant, aber der für die Kommunalwahl 2020 auch jemanden braucht, der sie lebt. Außer Strack-Zimmermann ist dafür niemand in Sicht.
NRW Wie viele Vereinigungen und Interessengruppen es in der landespolitischen Welt so gibt, kann man durch Rainer Matheisen lernen. Vor einem knappen Jahr war das Wahlergebnis der NRW-Liberalen sogar so gut, dass der Düsseldorfer mit Listenplatz 19 ins Landesparlament einzog. Seitdem ist er noch reger als vorher und besucht Runde um Runde, vom Ortsverband Kaarst bis zur Liberalen Hochschulgruppe. Es wächst mindestens ein Netz, vielleicht auch ein Mann für die erste Reihe. Matheisen ist erst 37 Jahre alt, hat aber schon eine politische Lebensarbeitszeit auf dem Konto wie viele andere erst kurz vor der Verrentung. An Einsatz für die FDP und Selfies für Facebook mangelt es bei Matheisen nicht. Offen ist aber, ob er dabei auch so reift, dass er später Führungsrollen (nicht nur -aufgaben) übernehmen kann oder sich mindestens schon mal einen besseren Listenplatz sichert.
Berlin Wenn am Donnerstag der Düsseldorfer Stadtrat zusammenkommt, dann wird Marie-Agnes Strack-Zimmermann wieder auf ihrem Platz sitzen und voraussichtlich die hohe Kunst ihrer Zwischenrufen pflegen. Ansonsten ist es etwas ruhiger um die Parteichefin im Rathaus geworden, weil sie in Berlin auch für Verteidigung zuständig ist und zum Beispiel zuletzt mit der Ministerin in Jordanien war.
Wer gesehen hat, wo Strack-Zimmermann bei der Jamaika-Absage-Rede von Christian Lindner stand, weiß wie eng die gebürtige Düsseldorferin mit dem Wahl-Düsseldorfer verbunden ist. Schafft es die Bundes-FDP, sich gegen Grüne, Linke und AfD in der Opposition zu profilieren und die aktuellen Umfragewerte (Politbarometer vom Freitag: neun Prozent) wieder zu verbessern, dann wird Strack-Zimmermann an Lindners Seite diese Erfolge mitausleben können. Macht die Lindner-Kurve aber einen Knick, ist das auch die Richtung, in die sich Strack-Zimmermann bewegen wird.
Fazit So seltsam es im ersten Moment klingt: Die Düsseldorfer FDP hat noch Luft nach oben. Ihre Protagonisten befinden sich auf allen Ebenen an Schlüsselpositionen. Die nächsten 18 bis 24 Monate werden relativ ruhig und ermöglichen viel klassische politische Arbeit. Der nächste wichtige Urnengang steht (bei allem Respekt für die Europawahl) erst im Jahr 2020 auf kommunaler Ebene an. Dann entscheidet sich, ob die FDP die Luft nach oben nutzt. Die starke Parteichefin könnte als OB-Kandidatin ins Rennen gehen und die bisherigen Erfolge toppen. Und die Liberalen könnten von ihrer Oppositionsrolle in Berlin profitieren und dadurch 2021 stark genug für eine Regierungs- und Düsseldorf-Beteiligung werden.