Bürgernähe kommt im Stadtrat erst zum Schluss
Erst am Ende der Sitzung soll über Anträge geredet werden, die alle angehen.
Düsseldorf. In der Sitzung des Stadtrates am Donnerstag könnte es gleich beim ersten Tagesordnungspunkt mächtig Ärger geben. Denn im Rathaus gibt’s mal wieder dicke Luft, die politischen Farben sind sich schon bei der Tagesordnung nicht grün.
Grund: Lange war es Usus, dass die Anträge der Parteien am Anfang der Sitzung diskutiert und abgestimmt wurden. Doch seit März ist alles anders: Mit Segen der CDU/FDP-Ratsmehrheit rutschten die Anträge ganz nach hinten. Folge: Viele Anträge wurden aus Zeitgründen nicht mehr behandelt. Ratssitzungen enden in der Regel nach sechs Stunden — egal, ob die Tagesordnung abgearbeitet wurde.
Auf der am Donnerstag stehen schon acht Restanten aus früheren Sitzungen — darunter auch bürgernahe Anträge wie eine Resolution der großen Fraktionen zu Organspenden, ein CDU/FDP-Antrag gegen Partymüll am Rheinufer und eine Resolution von CDU/SPD und Grünen gegen Kürzungen bei Ein-Euro-Jobs.
Dazu kommen noch zehn neue Anträge. Beobachter fürchten, dass die Zeit nicht einmal reichen wird, um die Restanten abzuarbeiten.
Doch weshalb wurden die Anträge verschoben? Viele kommen von der Opposition, die Ratsmehrheit meint, diese würde sich damit politisch profilieren wollen und den Betrieb aufhalten. SPD und Grüne argwöhnen, die Anträge seien verschoben worden, weil am Ende der Sitzungen Zuschauer und Medien nicht mehr anwesend oder schon zermürbt sind. „Was ist das für ein Demokratieverständnis, wenn man die politische Auseinandersetzung an den Rand schiebt?“, fragt Miriam Koch von den Grünen.
Hinter den Kulissen hatten sich beide Seiten längst auf eine mögliche Marschroute verständigt: Die Anträge kommen wieder nach vorne, dafür gibt es im Gegenzug eine Redezeitbegrenzung von drei Minuten je Redner. Davon ist jetzt aber keine Rede mehr. „Das finden wir enttäuschend“, sagt SPD-Fraktionsgeschäftsführer Jochen Wirtz. „Wir hätten die Geschäftsordnung gerne modernisiert, um die Sitzungen zügiger über die Bühne zu bringen. Aber das ist bei den Schwarz-Gelben wohl nicht gewollt.“
Die schießen zurück: „Die jetzt am lautesten schreien, haben selbst dafür gesorgt, dass der Rat nicht effizient arbeiten kann“, kritisiert Manfred Neuenhaus (FDP). Ähnlich sieht das Christian Zaum (CDU): „Die Reform der Tagesordnung musste erfolgen, weil zu viele Vorlagen der Verwaltung wegen ausufernder Debatten nicht dran kamen und per Dringlichkeitsbeschluss ohne Stadtrat verabschiedet werden mussten.“
Zaum wirft der Opposition Scheinheiligkeit vor: „Die Hälfte von deren Anträgen hat nichts mit Kommunalpolitik zu tun, da geht es um Bundes- und Ländersachen — es sind also Schauanträge.“
Die SPD liebäugelt nun damit, eine Sondersitzung des Rates zu beantragen, um die Anträge abzuarbeiten. „Das können die machen, aber wir bestimmen die Tagesordnung“, lautet der Konter aus der Ratsmehrheit.
Auf Dauer wird sie es sich nicht so einfach machen können. Sollte die Liste der Restanten stetig länger werden, sei das „demokratietheoretisch bedenklich“, meint Timo Grunden, Politologe an der Uni Duisburg. „Ich glaube, auf Dauer ist das Recht der Ratsleute, Anträge zu stellen, höher zu bewerten, als das Recht der Ratsmehrheit, die Tagesordnung festzulegen.“