Chefs der freien Theater gegen Geldvergabe hinter den Kulissen
Die Direktoren von sechs Düsseldorfer Privattheatern diskutierten bei der WZ über die Bedeutung des Boulevards, städtische Zuschüsse und Kontaktschwierigkeiten mit dem Kulturdezernenten.
Düsseldorf. Das Ruhrgebiet diskutiert über Museumsschließungen, Wuppertal will sein Theater dicht machen: Die Kulturschaffenden müssen sich auf härtere Zeiten einstellen — auch die in den öffentlich subventionierten Häusern. Für Spielstätten wie die Komödie, das Theater an der Kö oder das Kom(m)ödchen ist eine wirtschaftliche Haushaltung Standard. Die Theater laufen rein privatwirtschaftlich und kommen bis auf Ausnahmen ohne städtische Zuschüsse aus. Beim Theatergipfel der WZ wurde die Verteilung der Gelder durch Politik und Kulturdezernat scharf kritisiert. Die Stadt Düsseldorf, die mit einem Kulturetat von 114 Millionen Euro vergleichsweise sehr gut ausgestattet dasteht, ignoriere die freie Szene, meinen deren Protagonisten.
An der Diskussion nahmen teil: René Heinersdorff (Theater an der Kö), Kay Lorentz (Kom(m)ödchen), Helmuth Fuschl und Paul Haizmann (Komödie), Philipp Kohlen-Priebe (Theater Flingern), Stefan Jürging (Savoy Theater und Geschäftsführer der Düsseldorfer Volksbühne), Anton Bachleitner (Marionettentheater). Sie legten dar, was sie stört, und wie sie sich eine funktionierende Zusammenarbeit vorstellen.
Meine Herren, Sie arbeiten in einer Stadt mit einem großen Kulturangebot. Inwieweit profitieren Sie von diesem Reichtum?
Stefan Jürging: Ich glaube, dass Düsseldorf eine gute Grundlage für das Kulturleben bietet. Düsseldorf hat einen guten Einzugsbereich und eine gute Wirtschaftskraft. Bevor wir in Recklinghausen oder Herne Theater machen, dann doch lieber in Düsseldorf.
Philipp Kohlen-Priebe: Die Düsseldorfer sind offen. Kultur ist ein Bestandteil dieser Stadt.
René Heinersdorff: Ein gutes Zeugnis für diese Offenheit ist auch: In anderen Städten bleiben schlecht besuchte Tage schlecht besucht. In Düsseldorf ist das anders: Da merkt man montags, der Donnerstag läuft nicht gut, und dann ist die Vorstellung am Tag selbst doch ausverkauft. Die Düsseldorfer sind spontaner, das ist einmalig in der Republik. Das hat sicher auch mit der Wirtschaftskraft Düsseldorfs zu tun, da würde ich Stefan Jürging Recht geben — dennoch: Die Wirtschaftskrise haben wir massiv gemerkt.
Bleiben denn mehr Plätze frei?
Anton Bachleitner: Also, wir merken weder den Aufschwung noch die Krise. Aber: Früher war egal, an welchem Tag wir gespielt haben, es war immer knallevoll. Heute konzentriert sich alles auf das Wochenende, am Samstag könnten wir zehn Mal spielen.
Kohlen-Priebe: Auch uns hat die Rezession nichts getan. Vielleicht liegt es daran, dass unsere Preise günstiger sind.
Paul Haizmann: Und es würde noch besser laufen, wenn die Stadt unseren Spielplan bewerben würde, wie das in anderen Städten der Fall ist. Ich habe immer das Gefühl, wenn Leute ein Wochenende in Düsseldorf verbringen, sind sie von dem bunten Theaterleben hier überrascht.
Gibt es bei der Werbung eine Kooperation mit der Stadt?
Bachleitner: Nein, und ich meine, die Stadt ist da in der Pflicht. Ich hatte zum Beispiel angeregt, so etwas wie die „d-Art“, was ein Überblick über alle Ausstellungen ist, auch für die Theater aufzulegen. Aber da war nichts zu machen. Das Ding kostet ein Schweinegeld. Im Etat der Stadt stehen dafür um die 15 000 Euro bereit. Und die Düsseldorf Marketing und Tourismus GmbH hängt nicht einmal meine Plakate auf, weil zu wenig Platz ist.
Helmuth Fuschl: Düsseldorf ist ja kein Touristenzentrum. Nehmen wir die Osterferien. Hamburg, München und Berlin sind voll von Menschen, Düsseldorf ist leer, uns fehlen die Menschen. Da müsste uns die Stadt unterstützen. Wir wollten mal mit Plakaten auf die Kö gehen, aber das kann man nicht bezahlen.
Heinersdorff: Die kosten so viel wie eine Wohnung.
Sie wollen also Bares von der Stadt?
Heinersdorff: Nein, es geht auch um eine logistische Unterstützung, nicht um direkte Subvention, von der man in Düsseldorf nicht genau weiß, nach welchen Kriterien verteilt wird. Ob das alleinige Entscheidungen des Kulturausschussvorsitzenden Conzen sind . . . Ich kann jedenfalls kein Prinzip erkennen.
Das heißt, die Kommunikation mit den Kulturverantwortlichen muss besser laufen?
Heinersdorff: Auf jeden Fall, mich stört massiv, dass trotz schriftlicher Anfrage beim Kulturdezernenten und beim Kulturausschussvorsitzenden keine Reaktion erfolgt. Und dafür, ich meine das jetzt nicht arrogant, sind die Einrichtungen, die hier am Tisch vertreten sind, zu maßgeblich am Kulturleben unserer Stadt beteiligt, als dass sich ein Kulturdezernent da einfach taub stellen kann.
Bachleitner: Wir haben den Kulturdezernenten — wie lange ist er jetzt im Amt, sechs oder sieben Jahre? — nicht einmal in unserem Theater gesehen. Wir haben ihn drei Mal persönlich eingeladen. Aber jedes Mal gab es eine Vorstellung im Schauspielhaus oder in der Oper, die wichtiger war. Wir würden uns sehr freuen, wenn er doch mal zu uns fände.
Der Neid-Stachel sitzt aber ganz schön tief.
Kohlen-Priebe: Wir sind das Haus, das wirklich nur einen ganz winzigen Zuschuss für unsere Kindertheaterveranstaltungen bekommt. Und ich finde es immer ganz furchtbar, neidisch auf die Töpfe von anderen zu gucken. Das Einzige, was mich an dieser Situation ärgert, ist, dass es keine erkennbare Linie gibt, wie in dieser Stadt das Geld verteilt wird. Das sind Sympathiezuschüsse, die irgendwann nach der Währungsreform bei einer Scheibe Brot festgelegt worden sind. Als neues Kulturinstitut hat man heute überhaupt keine Chance mehr, da noch reinzukommen.
Heinersdorff: Also ich muss sagen: Ich neide es allen. Von 20 Produktionen im Schauspielhaus sind zwei toll. Diese Experimentierfreude könnten wir uns gar nicht leisten. Und wenn solche großen Häuser dann auch noch anfangen, verbilligt Karten abzugeben, dann kommt niemand mehr für teures Geld. Maßlos habe ich mich darüber geärgert, dass die Oper für eine Gala 200 000 Euro zusätzlich für einen Event namens Operngala erhält. Wenn sie eine solche Veranstaltung nicht mit den vorhandenen Mitteln leisten kann, dann soll sie es lassen.
Was sind denn Ihrer Meinung nach angemessene Kriterien für die Geldverteilung?
Kohlen-Priebe: Mein Vorschlag: Gib den Häusern einen Anteil entsprechend der Zuschauer, die sie bringen. Die Gäste, die ein Theater eine Spielzeit lang besuchen, sind ein knallharter Fakt. Wenn das Schauspielhaus und die Oper mit 180 Euro pro leerem Platz bezuschusst werden, dann kann man sich doch auch für uns etwas überlegen.
Heinersdorff: Absolut richtig. Die Schauspielhaus-Premieren begeistern doch kein breites Publikum. Das sind Fachtagungen für Dramaturgen, Regisseure und Bildungsbürger.
Bachleitner: Mir wäre das zu einfach, Subventionen nur nach dem Zuschauer-Schlüssel zu verteilen. Die einzelnen Häuser haben ja einen unterschiedlichen Aufwand und unterschiedliche Kosten, um eine Vorstellung realisieren zu können.
Kohlen-Priebe: Also ich bin froh, dass das Schauspielhaus ein solchen Spielplan hat. Denn sonst wären wir nicht so erfolgreich.
Sie halten Boulevard für ebenso förderungswürdig wie Goethe?
Heinersdorff: Goethe ist Boulevard. Die Behauptung, Boulevard gefällt der Masse, damit ist es keine Kunst und somit nicht zu fördern, ist vollkommen unbegründet. Natürlich muss es in großen subventionierten Häusern Produktionen geben, die man bei uns nicht sehen kann. Die aufwändig sind und ästhetisch schwieriger. Es wäre ja schlimm, wenn dem nicht so wäre. Dennoch darf es nicht sein, dass große Häuser im Bemühen, ebenfalls Massen zu locken, Karten verbilligt oder gratis abgeben. Dann entsteht beim Besucher die Haltung, Kultur muss billig sein. Und wer einmal für drei Euro ins Theater gegangen ist, der geht nie mehr für mehr Geld.
Besuchen Sie Vorstellungen im Schauspielhaus?
Bachleitner: Ich gehe nur noch manchmal hin, denn an den Produktionen konnte man sehen, dass der Publikumsgeschmack nicht interessiert.
Jürging: Ich war in der jüngsten Zeit sechs Mal im Schauspielhaus und habe Sachen gesehen, die es nirgendwo anders gab. Auch nicht bei euch. Und das fand ich schön.
Also sind die Subventionen dort gut angelegt?
Jürging: Ja, da lasse ich es mir gefallen, dass dort mit meinen Steuergeldern gearbeitet wird. Wenn ich im Düsselstrand eineinhalb Stunden schwimmen gehe, zahle ich ja auch 6,30 Euro. Ich habe im Übrigen an Subventionen kein Interesse. Ich will weiter am Samstagabend Esther Ofarim bringen und nicht gezwungen sein, im Mittagsprogramm eine Bauchtanzgruppe zu zeigen, die sich an den Händen fasst. Ärgerlich finde ich, wenn mir die Sparkasse mit ihrem Unterhaltungsprogramm Konkurrenz macht. Also die Bank, von der ich einen Kredit erhalten haben, um mein Theater zu bezahlen.
Lorentz: Und zusätzlich wissen wir, dass dort andere Gagen bezahlt werden, als wir sie in der Lage sind zu zahlen.
Ein paar von Ihnen haben es aber doch auf die Liste der Stadt geschafft: zum Beispiel das Kom(m)ödchen, die Komödie und das Marionettentheater.
Kohlen-Priebe: Also dann werden die Subventionen nach Sympathie vergeben. Ich habe einmal wegen eines Zuschusses zu den Betriebskosten angefragt. Als Antwort kam: Wenn wir euch ’was geben, dann kommen die anderen auch.
Lorentz: In den 19 Jahren, in denen ich das Kom(m)ödchen jetzt mache, gab es zwei Phasen, in denen ich geglaubt habe, ich könnte es nicht schaffen ohne Subventionen. Ich habe mich damals sehr bemüht und habe sie nicht bekommen. Die Stadt hat dann einer Mietstundung zugestimmt. Es ist schon verrückt, meinen Eltern hatte die Stadt damals Subventionen angeboten, und sie haben das Geld abgelehnt.
Fuschl: Als wir das Haus übernommen haben, war es in einem nicht guten Zustand. Die Stadt gab uns für die Sanierung 140 000 Euro — gestreckt auf zehn Jahre.
Heinersdorff: Ich habe einmalig 13 000 Euro für eine neue Tonanlage bekommen. Allerdings unter der Maßgabe, dass diese der Stadt gehöre.
Jürging: Mal ehrlich, was will man mit 13 000 Euro machen? Subventionen machen nur Sinn, wenn man richtig Geld bekommt.
Bachleitner: 190 00 Euro bekomme ich von der Stadt pro Jahr, aber das Geld ist seit vier Jahren eingefroren.
Fuschl (lacht): Mit einer solchen Eiszeit wären wir einverstanden.
Das Marionettentheater ist also ganz gut versorgt.
Bachleitner: Wie man’s nimmt. Ich erwirtschafte 57 Prozent meines Etats, und ganz ehrlich, bei 150 000 Euro müsste ich zumachen. Und in Deutschland gibt es kein anderes Theater, außer der Augsburger Puppenkiste, das unsere Qualität hat. Das FFT bekommt knapp eine Million Euro, das muss man sich mal vorstellen. Als ich wegen der Neuproduktion der „Unendlichen Geschichte“ mit dem Kulturdezernenten über meinen finanziellen Engpass sprach, war seine Antwort bloß ein Achselzucken.
Das Kom(m)ödchen weicht neuerdings häufiger auf größere Häuser aus. Genügt Ihnen der Platz nicht?
Lorentz: Ich bin das Jahr über mit meinen 200 Plätzen ganz zufrieden. Aber ich habe das Glück, dass ich seit drei, vier Jahren in wunderbaren Zeiten leben kann, so dass mir 100 Plätze mehr gut gefallen könnten.
Denken Sie an eine Erweiterung?
Lorentz: Es liegen sogar schon Pläne vor. Wir würden in der ersten Etage zum Platz hin aufstocken. Das sieht irre aus, wie ein angedocktes Raumschiff.
Verhandeln Sie darüber mit der Stadt?
Lorentz: Herr Conzen kennt die Pläne, aber ist weit davon entfernt, sich dafür zu engagieren, weil er kein Geld hat.
Wie teuer würde die Erweiterung?
Lorentz: Schätzungsweise 1,2 bis 1,5 Millionen Euro.
Suchen Sie auch andere Finanzierungsmöglichkeiten, bemühen Sie sich etwa um Sponsoren?
Kohlen-Priebe: Da ist schon alles abgegriffen. Und zwar von denen, die das Geld hier in der Stadt verteilen.
Bachleitner: Das Geld landet im Altstadtherbst und in teuren Picasso-Ausstellungen. Ich habe für „Die unendliche Geschichte“ 100 Briefe an große Düsseldorfer Unternehmen geschickt. Drei haben geantwortet, und das waren alles Absagen. Aber glücklicherweise stehen die Düsseldorfer Bürger hinter ihrem Theater, sie unterstützen uns finanziell mit ihren Puppenpatenschaften und Spenden.
Welche Hilfe erwarten Sie konkret von der Stadt?
Heinersdorff: Sie soll uns ihre Logistik zur Verfügung stellen, Broschüren, Plakatflächen, regionales Marketing — das kostet die Stadt ja nichts weiter. Ich sag’ mal, auf dem Weg zum Flughafen gehört jedes zweite Plakat einem privaten Theater. Das wäre doch eine erste Maßnahme.
Bachleitner: Ich hätte einen Vorschlag zur Planung der U-Bahn. Man könnte an den Haltestellen auf die Kulturinstitute hinweisen, die sich oben befinden.
Wie kann sich das Verhältnis zwischen der Stadt und der freien Theaterszene entspannen?
Heinersdorff: Es muss eine transparente und faire Diskussion über die Verteilung des Kulturtopfes geben, in die wir miteinbezogen werden. Also ein Miteinander der Theater.
Kohlen-Priebe: Aber zu der Runde gehören auch der Kulturdezernent und der Kulturausschussvorsitzende.