Demag Cranes: Aus Benrath in die weite Welt
Der Düsseldorfer Konzern liefert seine Kräne an Kunden, die rund um den Globus verteilt sind. Die Ausleger drehen sich unter anderem in den Niederlanden, im Kongo, in China und auf den Fidschi-Inseln.
Düsseldorf. Es ist fast Mitternacht. Der Fahrer des zwölfachsigen Tiefladers der Firma Max Goll hört in aller Seelenruhe WDR 4 und raucht eine Marlboro. Dann wirft er die 660 PS starke Zugmaschine mit weiteren vier Achsen darunter an und fährt los.
Blau- und Gelblichter zucken durch den Benrather Nachthimmel. Im Schneckentempo rollt der Tross unter Polizeibegleitung aus dem Werk quer über die Forst-, Hassels- und Süllenstraße. Schon nach einer Viertelstunde ist an der Ecke zur Bamberger Straße erst mal wieder Feierabend für die Fahrer.
Die hunderte Tonnen schwere Fracht der Firma Demag Cranes hat ein fernes Ziel: Zwei in mehreren Segmenten zerlegte Hafenkräne, die später wie Lastwagen auf Reifen fahren können, müssen in den Kongo verschifft werden.
Die erste zeitraubende Hürde ist im Vergleich zum kompletten Transport von mehreren Wochen über den Atlantik in die mittelafrikanische Republik noch harmlos: Um Punkt 1.20 Uhr rollen die mächtigen Laster mit ihrer noch wuchtigeren Ladung wieder an.
Mitarbeiter der Deutschen Bahn haben kurz zuvor die Hochspannungsleitungen für die S-Bahnen und Fernzüge auf den vier Gleisen an der Überführung der Bamberger Straße per speziell installierter Hebetechnik nach oben gefahren.
Nun heißt es Gas geben für die Schwertransporter-Kolonne. Das Zeitfenster ist klein: Lediglich 20 Minuten rollt hier kein Zug. Danach müssen die sechs Laster auf der anderen Seite sein, um ihren Weg zum Reisholzer Hafen fortzusetzen.
Doch es gibt keine Probleme in dieser Nacht. Schon nach wenigen Minuten können die Mitarbeiter der Bahn die Erdung der Drähte aufheben, die Leitungen auf ihre ursprüngliche Höhe herunterfahren und die alten Gittertore für die Zufahrten wieder verschließen.
Schon vor 50 Jahren wurden Kräne hier auf diesem Weg transportiert. Mit dem Masterplan Industrie, der kürzlich in Düsseldorf vorgestellt wurde, könnte dieses steinzeitliche Szenario im modernen Industriezeitalter ein Ende haben.
Die Rede ist von einem hochmodernen Umschlagsplatz im Reisholzer Hafen für bis zu 250 Millionen Euro. Demag Cranes würde dann nicht mehr nur die eigenen Kräne auf komfortablem Weg ans Rheinufer bringen, sondern auch die Technik für den dann womöglich 56 Hektar großen Hafen selbst bereitstellen können.
Doch das wird frühestens in zehn Jahren sein. In dieser Nacht gegen 2.30 Uhr kommen die grau-blauen Kranteile am Ufer des Rheins an und werden dort auf den Schwertransportern bis zum nächsten Morgen abgestellt.
„Wir hatten schon mal einen Kunden, der wollte einen rosafarbenen Kran haben“, erklärt Konzernsprecher Nicolai Juchem, während die Männer ihre Laster manövrieren. In der eigenen Lackiererei des Düsseldorfer Konzerns kann jeder Farbwunsch erfüllt werden. Auch einer vor fünf Jahren für einen Abnehmer aus Frankreich: ein Kran in lila-grün-rosa-gelb.
Am nächsten Morgen geht es um 8 Uhr weiter. Die einzelnen Segmente werden per Lkw-Kran auf Schiffe verladen, die noch an diesem Tag das nächste Ziel der Reise ansteuern: Antwerpen.
Dort ein paar Tage später angekommen, werden die Einzelteile nicht sofort auf Ozeanriesen verladen. Juchem: „Sie werden zusammengesetzt und können so dem Kunden vor Ort komplett übergeben werden.“ Ein klassischer Hafenmobilkran wiegt pro Achse 60 Tonnen.
Die für den Kongo gedachten „Stahlriesen“ sind allerdings keine kleinen, dreiachsigen Modelle. Sie bringen mit sieben Achsen rund 420 Tonnen auf die Waage. Und wiegen damit etwa so viel wie ein voll beladener Jumbo Jet jüngster Generation. Die größten Mobilkräne von Demag haben um die 800 Tonnen Eigengewicht.
Hafenschienenkräne, die statt der Reifen Vorrichtungen für Gleise zum Rollen haben, können im Einzelfall sogar noch schwerer sein. Das müssen sie auch: Schließlich können die Trage-Giganten Gewichte von bis zu 200 Tonnen in die Höhe hieven, im Tandembetrieb sogar bis zu 400 Tonnen.
So lange wie die Reise ans endgültige Ziel im Kongo dauert auch die Fertigung eines Krans: Vom nackten Blech bis zur Inbetriebnahme werden 55 Arbeitstage benötigt, also bis zu drei Monate. Etwa 70 Kräne werden jährlich in Benrath produziert. Weltweit sind bei Demag 6115 Mitarbeiter beschäftigt, davon 2820 im Inland (Standorte siehe Kasten). 900 arbeiten in Düsseldorf.