Düsseldorf Der Kampf gegen die Flüchtlingskrise

Wo kann die nächste Unterkunft entstehen? Wo kommen die Betten her? Was kostet das alles? Die Stadt steckt mitten in einer logistischen Herkulesaufgabe.

Foto: M. Hitij, dpa

Düsseldorf. Die Flüchtlingskrise ist in erster Linie eine Geschichte über Menschen, über unzählige Einzelschicksale, deren Tragik oft kaum zu fassen ist. In zweiter Linie geht es aber auch darum, wie der Rest der Welt diesen Menschen begegnet und wie er im besten Fall versucht, die Krise zu meistern. Auch Düsseldorf bemüht sich nach Kräften. Ein Einblick in diese logistische Herkulesaufgabe:

Unterbringung Die permanente Suche nach Möglichkeiten zur Unterbringung bezeichnet die städtische Flüchtlingsbeauftragte Miriam Koch als größte logistische Herausforderung. Hier ist das Amt für Gebäudemanagement gefragt. Da deutlich mehr Flüchtlinge kommen als gedacht, muss die Stadt immer noch mit improvisierten Notlösungen wie Zelten arbeiten. Knapp 1000 Flüchtlinge leben zudem immer noch in Hotels, obwohl das sehr teuer ist.

Einrichtung Am dringendsten benötigt werden in den Unterkünften Betten. Knapp 5000 hat die Stadt gekauft, weit mehr als eine halbe Million Euro dafür ausgegeben. Doch ums Geld geht es an dieser Stelle nur am Rande. Das Problem ist, dass Betten zum knappen Gut werden, da sie von vielen Kommunen nachgefragt werden. „Wir sind ständig auf der Suche, die letzten Betten haben wir in Polen besorgt.“ Eng wird es auch bei Duschkabinen und Trinkschläuchen, die der Zeltlieferant neulich aus Holland besorgen musste. Schließlich ärgert sich Koch doch noch übers Geld. Die Nachfrage treibt die Preise in die Höhe. „Sie sind etwa um 25 Prozent gestiegen.“

Kosten Auch ein finanzieller Kraftakt steht also bevor. Koch geht von grob geschätzt 50 Millionen Euro aus, die Düsseldorf 2016 für die Flüchtlingsunterbringung in die Hand nehmen muss. In diesem Jahr wird die Summe nicht viel niedriger ausfallen. Die im Haushalt veranschlagten 23 Millionen werden nicht ausreichen. Wie sehr Bund und Land unterstützen, ist noch unklar. Zwar will der Bund den Ländern jetzt eine Pauschale von 670 Euro pro Flüchtling und Monat zahlen, „doch es ist völlig unklar, was davon bei den Kommunen ankommt“, sagt Koch. In Düsseldorf liegen die monatlichen Kosten für die reine Unterbringung von Flüchtlingen nach WZ-Berechnungen bei rund 720 Euro. So ist zu vermuten, dass Düsseldorf am Ende auf einem hohen Kostenberg sitzenbleibt.

Helfer Ohne Ehrenamtler wäre die Situation nicht zu meistern. Und die Hilfsbereitschaft ist enorm, laut Wohlfahrtsverbänden so hoch wie nie zuvor. Allein über den städtischen Aufruf im Internet meldeten sich 3000 freiwillige Helfer. Sie richtig einzusetzen, ist die nächste logistische Aufgabe. Einige werden ab nächster Woche Fragebögen mit den Flüchtlingen ausfüllen. „So wollen wir mehr über Bildungsstand, beruflichen Fähigkeiten und Bedürfnisse herausfinden“, sagt Koch (Archivfoto: Lepke). Ein Musiker etwa könnte mit den Symphonikern zusammengebracht werden, die Patenschaften angeboten haben.

Aber auch die städtischen Mitarbeiter engagieren sich laut Koch weit über Normalmaß hinaus. Neben Kochs Büro sind alle Ämter gefragt, etwa das Schulamt für Seiteneinsteiger (siehe Artikel unten). Organisation Allen Akteuren ist eins gemein: sie brauchen Improvisationstalent. Langfristige Planungen sind kaum möglicht. Ein Grund: Ging die Stadt erst von 50 Flüchtlingen pro Monat aus, kommen heute 150 pro Woche. Hinzu kommt: Als die Grundstücke für die neuen Modulbauten aufgrund von überraschenden Funden im Boden nicht rechtzeitig bebaut werden konnten, mussten mit der Unterbringung in Zelten und Turnhallen Notlösungen her. Und als Düsseldorf quasi über Nacht zum NRW-Drehkreuz zur Weiterverteilung von Flüchtlingen werden sollte, half nur noch ein Krisenstab weiter.

Obwohl das Drehkreuz mittlerweile läuft, kann sich jedoch keine Routine einstellen. Koch: „Wir erfahren erst einen Tag vorher, wann ein Sonderzug kommt, so ist es schwierig, die Schichten einzuteilen. Wir brauchen am Flughafen 180 Leute für 24 Stunden, eine Wochenplanung wäre deutlich besser. Ebenfalls unzufrieden ist Koch mit einem Ergebnis des Flüchtlingsgipfels, wonach künftig Sachleistungen statt Bargeld ausgegeben werden sollen. „Das bedeutet für uns einen wesentlich höheren bürokratischen Aufwand.“