Herr Kukulies, wie wird man Open-Air-Kinochef?
Interview Der Kino-Chef geht – die großen Momente bleiben
Düsseldorf · 18 Jahre lang hat Sven Kukulies das Open-Air-Kino geleitet. Nun hört er auf. Im Gespräch erinnert er sich an die viele Anekdoten, darunter einen spontanen Umzug mit Matthias Schweighöfer, die offenbar sehr aufregenden „Feuchtgebiete“ und die erste Begegnung mit Regisseur Sönke Wortmann.
18 Jahre lang hat Sven Kukulies das Open-Air-Kino am Rhein geleitet, zuletzt als Berater für die Stadttochter D.Live. Nun hört er auf. Was er mitnimmt, sind viele unvergessliche Momente, Anekdoten und Erinnerungen. Davon erzählt er im Gespräch mit der WZ.
Sven Kukulies: Ich war schon im Open-Air-Kino, als es noch auf dem Burgplatz war. Nach dem Umzug 2000 in den Rheinpark habe ich am neuen Standort ‚Titanic’ gesehen, übrigens auf Einladung der Westdeutschen Zeitung. Es hat Hunde und Katzen geregnet, man fühlte sich wie mittendrin. Das war großartig. Zwei Jahre später bekam ich mit, dass ein Projektleiter gesucht wurde. Das war meins.
Wie ging es dann weiter?
Kukulies: Ich habe mich mit dem damaligen Veranstalter Peter Hürlimann getroffen und war völlig überrascht, als er mir erklärte, dass das Kino wegen der hohen Produktionskosten am neuen Standort in die roten Zahlen geraten war. Ich sollte die Schmerzen lindern, sagte er. Im Mai habe ich angefangen, Ende Juni startete das Frankenheim-Kino, wie es damals hieß. In der Saison hatten wir mit 60 000 einen neuen Besucherrekord aufgestellt. Im Jahr danach waren es sogar 64 000 Besucher. Der Rekord besteht bis heute. Damals war das Kino praktisch immer ausverkauft.
Weil es den ganz speziellen Event-Charakter hatte?
Kukulies: Ja, wird hatten damals am Ende der Spielzeit immer eine Überraschungspremiere, die auch wirklich geheim gehalten wurde. 2003 war es „Das Wunder von Bern“. Sönke Wortmann und der Turek-Darsteller waren da. Die Zuschauer haben so gestaunt, es war unglaublich. Mit Sönke habe ich seitdem regelmäßig Kontakt. Wir sehen uns nicht oft, aber es ist immer sehr herzlich.
Es ist nicht der einzige Kontakt, der übrig bleibt ?
Kukulies: Nein. 2005 habe ich auch Wim Wenders kennen gelernt. Sein Film „Paris, Texas“ war für mich das cineastische Erweckungserlebnis, das erste richtig große Kino, das ich erlebt habe. Im Open-Air-.Kino hat er seinen Film ‚Don‘t come knocking’ präsentiert. Der war sehr experimentell und nach 30 Minute war das Kino halbleer. Aber das war nicht schlimm. Ich hatte ja Wim Wenders.
Was war die kurioseste Vorstellung?
Kukulies: Das war der Abend, an dem Matthias Schweighöfer seinen ersten Film „What a man“ gezeigt hat. Wir hatten eine Gewitter-Warnung und Matthias hat Angst vor Gewittern. Ich habe dann ganz spontan den Chef vom UCI-Kino angerufen und gefragt, ob wir den Film nicht kurzfristig dort zeigen können. Das ging aber aus technischen Gründen erst ab 23 Uhr. Matthias sagte, dann schreibe ich eben so lange Autogramme. Dann sind wir umgezogen. Als wir ins UCI-Kino kamen, war das Foyer schon voller Menschen. Er hat bestimmt zwei Stunden lang Autogramme geschrieben.
Was war der aufregendsten Abend?
Kukulies: Da fallen mir zwei ein. 2013 war Charlotte Roche mit ‚Feuchgebiete’ bei uns. An dem Abend hatten wir drei Rettungseinsätze, einer davon war ein schwerer Herzinfarkt. So viele hatten wir nie wieder. Ob es an dem Film lag oder daran, dass es ein sehr heißer Tag war, kann man nur vermuten. An einem anderen Abend hat eine Besucherin die Feuerwehr gerufen, weil sie meinte, dass die Leinwand vom Wind wackelt. Da ist ein ganzer Löschzug mit Blaulicht bis zu unserer Rampe gefahren. Es war aber ein Fehlalarm. Ich habe später gehört, dass die Frau das viel Geld gekostet hat.
Was war der bewegendste Abend?
Kukulies: Das war auch 2013. Da hat Paul Potts seinen autobiographischen Film präsentiert. Davor hat er gesungen und war so gerührt, dass er geweint hat. Auch das Publikum war absolut ergriffen. Solche Momente erlebt man nur im Open-Air-Kino.
Der beste Special Effect?
Kukulies: Das war nicht auf der Leinwand. 2004 haben wir „The Day after tomorrow“ gezeigt. Mitten im Film fand über Neuss ein Wetterleuchten statt. Das hätte selbst Roland Emmerich zum Staunen gebracht. Und ich kann mich an eine Szene aus „Barfuß“ von Til Schweiger erinnern. Das war das erste Jahr, als wir die Dolby-Sorround-Anlage hatten. Darin steigt die Protagonistin in strömendem Regen aus einem Auto aus. Der Sound war so echt, dass alle Zuschauer nach oben geguckt haben. Ich wollte auch schon die Regen-Ponchos ausgeben.
Wie sehen Sie die Zukunft des Open-Air-Kinos?
Kukulies: Die Zeiten werden schwieriger. Wir haben eine ganze Generation von Künstlern an Streaming-Dienste wie Netflix verloren. Sie haben dort viel mehr Zeit und ein anderes Budget. Auch Matthias Scheweighöfer macht darum nur noch einen Film im Jahr. Darum wird es auch immer komplizierter, 32 Filme zu finden, die ein Open-Air-Kino füllen können.