Der Superstar zum Mieten: Traumjob Weihnachtsmann

Stefan Dößereck hat 2500 Auftritte in der Rolle seines Lebens absolviert. Dabei hält er sich an einen strengen Verhaltenskodex.

Düsseldorf. Zum Superstar wird Stefan Dößereck in einer Abstellkammer. Minuten zuvor ging der stämmige 1,90-Meter-Hüne noch durch einen Pulk von Kindern, ohne dass der ihm größere Beachtung geschenkt hätte. Das ist so gewollt. Ganz anders wird das sein, wenn Dößereck wieder herauskommt aus dem Lagerraum. Die ganze Aufmerksamkeit gehört dann dem Mann mit Rauschebart und Bommelmütze.

Mehr als 2500 Auftritte hat Dößereck in 18 Jahren im Rheinland absolviert, hunderte davon in Düsseldorf, so viel wie kein Zweiter. Dass der 45-Jährige eigentlich in Köln wohnt, spielt da keine Rolle, ein Weihnachtsmann denkt eben nicht lokal, sondern global.

Entscheidend ist für ihn etwas anderes. „Die Illusion muss perfekt sein.“ Eine Katastrophe wäre es etwa für ihn, wenn ein Kind in die mit Stühlen und Tischen vollgestopfte Kammer platzen würde. Ein halb angezogener Weihnachtsmann? „Das darf es nicht geben. Was soll ich dem Kind sagen?“

Dößereck folgt einem strengen Ehrenkodex. Rauchen, essen, trinken, telefonieren — alles im Kostüm tabu. Gute Laune ist dagegen Pflicht. Und als Dößereck vor drei Jahren mit einem Gipsbein durch die Adventszeit humpelte, hatte er natürlich die passende Geschichte parat. „Da habe ich den Kindern erzählt, dass mir der Schlitten über den Fuß gefahren ist, weil sich ein Rentier erschrocken hatte.“

Sein strenges Regelwerk gibt der gelernte Maschinenbauer in Seminaren auch an andere Weihnachtsmänner weiter. Nur wer sich daran hält, kommt in sein Netzwerk namens Weihnachtsmann-Service mit rund 30 Mitgliedern und wird zu Terminen vermittelt.

Die meisten macht Dößereck allerdings immer noch selbst. An diesem Sonntag in der Vorweihnachtszeit tritt Dößereck im Lokal Meyer & Freemann in Kalkum auf. Ein Software-Unternehmen hat zur Weihnachtsfeier geladen. Rund 100 Leute erwarten ihn.

Doch Dößereck ist die Ruhe selbst. „Weihnachten und Stress, das passt nicht zusammen.“ Er legt sein Kostüm an — Mantel, Bart, Mütze — und greift zu einer goldglänzenden Glocke. „Ein paar hundert Euro muss man schon in die Ausstattung investieren“, sagt Dößereck. Sonst sehe das billig aus.

Überhaupt — reich werden könne man mit dem Job nicht. 30 bis 50 Euro nehme er im Schnitt pro Auftritt. Für einen zweistündigen Termin mit viel Aufwand könnten es auch schon mal 125 Euro sein. „Aber das ergibt sich im Gespräch, wenn eine Familie nicht so viel Geld hat, dann nehme ich auch mal gar nichts.“ Das Ganze sei eben eine Herzensangelegenheit, eine Passion.

Das muss wohl tatsächlich so sein. Denn die Belastung für den Saisonarbeiter Dößereck ist enorm. Seinen Urlaub legt der selbstständige Veranstalter in den Dezember — um zu arbeiten. Das Weihnachtsfest fällt für Dößereck seit Jahren aus. Allein am heutigen 24. muss er zehn Buchungen abarbeiten. „Aber ich feiere ja so gesehen den ganzen Monat.“

Eigene Kinder hat Dößereck nicht. „Sonst könnte ich diesen Job auch nicht machen.“ Am ersten oder zweiten Feiertag trifft er sich immerhin mit seiner Mutter und der Familie seines Bruders. Der hat Dößereck seine zweite Karriere übrigens eingebrockt. „Ich sollte für seine Tochter den Weihnachtsmann spielen, danach war mir klar, das möchte ich öfter machen.“

Als Dößereck die Tür seiner improvisierten Umkleidekabine öffnet, herrscht plötzlich Stille. Entgeistert blicken die Kinder auf die Gestalt, die da den Raum betritt. Erst halten sie noch schüchtern Abstand, dann trauen sich die ersten, den Bart anzufassen. „So lange ihr nicht daran zieht, ist das in Ordnung“, sagt Dößereck. Seine Verwandlung ist erstaunlich. Der 45-Jährige ist nicht mal ansatzweise wiederzuerkennen.

Meist freundlich, aber auch mal streng tritt Dößereck den Kindern gegenüber. Er singt einige Weihnachtslieder mit ihnen und lässt Gedichte aufsagen. Dann holt er die Geschenke aus seinem Sack, die ihm die Eltern der Kinder zuvor überreicht haben. Und während die Kinder noch auspacken, zieht sich Dößereck allmählich zurück, verschwindet schließlich wieder in der Abstellkammer.

Dößereck ist zufrieden. Der halbstündige Auftritt lief reibungslos. Hin und wieder gerät er allerdings auch in merkwürdige Situationen. Etwa als er sich in einem Fünf-Sterne-Hotel in der Besenkammer umziehen musste, oder als er von einer Familie für den Sohnemann gebucht wurde, und er ihm so viele Geschenke überreichen musste wie sonst an eine ganze Kindergartengruppe.

Besonders unangenehm in Erinnerung ist Dößereck die Weihnachtsfeier einer Werbeagentur. „Als ich zu später Stunde eintraf, kam mir die Belegschaft auf allen Vieren entgegen, so betrunken war sie. Daraus habe ich gelernt, ich lege meine Auftritte jetzt immer an den Beginn einer Feier.“

Dößereck schwitzt. Warm ist es unter dem dicken, roten Mantel. Mit wenigen Handgriffen entledigt er sich seines Kostüms und verstaut es in seinem Koffer. Dann verlässt er den Lagerraum und geht in Richtung Hinterausgang. Die Kinder sind ins Spiel mit ihren Geschenken vertieft, keines nimmt Notiz von ihm. „Das ist das Großartige, ich darf kurzzeitig ein Superstar sein und die Rolle dann auch wieder ablegen.“