Stadt-teilchen Die Düsseldorfer lieben ihre Stadt. Warum bloß?

Die Düsseldorfer lieben ihre Stadt. An Bord des Doppeldecker-Busses kann man schon mal nach dem Warum fragen.

Foto: Bernd Schaller

Düsseldorf. Bärbel aus Berlin war da. Sie wollte schon lange mal kommen, diesmal für ein verlängertes Wochenende. Ihr letzter, beruflich bedingter Besuch war nur eine Stipp-Visite. Jetzt wollte sie machen, was sie immer zuerst macht in fremden Städten: eine Stadtrundfahrt. Brav besorge ich ein Faltblatt der Düsseldorf Tourismus GmbH. Hop On Hop Off City Tour. Das wär’s doch!

Gewissensfrage: Muss ich da mit? Ich kenn doch meine Stadt. Vorweg: Man muss. Nicht, weil ich Düsseldorf aus der Perspektive eines so genannten Cabrio-Busses nicht kenne, sondern damit Besucher wie Bärbel einfach mehr mitbekommen, als das, was von dort zu sehen und zu hören ist.

Zuerst kaufen wir eine Düsselcard für drei Tage für 19 Euro. Damit gibt’s sogar Ermäßigungen bei der Stadtrundfahrt oder Schiffstour. Und dann endlich Hopp On auf der Kö-Brücke. Mit uns warten noch andere Touristen im Nieselregen. Die Plätze auf dem Oberdeck sind trotz Feuchtigkeit heiß begehrt und meist schon besetzt, denn eigentlich startet die Tour bereits am Hauptbahnhof. Im Bus werden Kopfhörer angeboten, neben Deutsch in noch zehn anderen Sprachen, auch Polnisch, Chinesisch und Japanisch.

Belegt mit einem Grauschleier ist nicht nur die Stadt, auch die schulmeisterliche Stimme vom Band, die Düsseldorfs alte Vorzeige-Immobilien beschreibt im Stile von „Rechts sehen sie — links sehen Sie“ und „Urkundlich zuerst erwähnt. . .“. Meist sind wir dann schon vorbei. Dafür gibt’s dann Wiederholungen, weil der Bus Schleifen fährt. Derweil bemühe mich fleißig, gegen die tristen Bilder und ebensolche Beschreibungen mit Mäutzkes und Dönekes aus dem wahren Düsseldorfer Leben dagegenzuhalten.

Der junge Franzose kann während der tristen Häuser-Schau denn auch nicht so recht unterscheiden, war das jetzt die Börse („die Nummer zwei nach Frankfurt“) oder das Wilhelm-Marx-Haus, („das erste Bürohochhaus im Lande“), das Carsch-Haus („eines der drei ältesten Kaufhäuser in Deutschland“) oder etwa die Kunstakademie.

Auf dem Dach des Busses herrscht babylonisches Sprachgewirr. Das bunte Völkchen unterhält sich lieber miteinander als der Stimme vom Band zuzuhören und stellt eigene Fragen: Was sind das für Skulpturen auf den Litfasssäulen? Warum sind die Gehry-Bauten krumm? Ist Altbier wirklich so bitter? Ist auf den Rheinwiesen immer Kirmes? Wo kann man am besten shoppen? Doch so was wie das neue Outlet-Kaufhaus Saks off Fifth Avenue hat das alte Band noch nicht drauf. Am Carsch-Haus sagt die Stimme, die mich doch sehr an die erinnert, die ich mitsamt dem Navi in meinem letzten Auto verkauft habe, dass hier „ein wunderbarer Platz erhalten wurde“:

Ich reibe mir die Augen und traue meinen Ohren nicht. Nicht das einzige Mal, dass Bild und Text nicht harmonieren. Die Penner gucken erst gar nicht hoch von ihrem wunderbaren Platz, auf dem traurig der Musik-Pavillon thront, und auf dem laut BV 1-Beschluss bereits in diesem Sommer Kaffee ausgeschenkt werden sollte. Aber da kam leider die eine oder jene andere Tour dazwischen. Vielleicht bietet sich ja hier bei den Stadtrundfahrten im nächsten Sommer endlich ein anderes Bild.

Wenn sie zur Altstadt wollen, hier aussteigen. . .“, informiert der Fahrer durch den Lautsprecher. Keiner will. Obwohl die Navi-Stimme verspricht: „Mit etwas Glück werden sie gleich in der Altstadt Rad schlagende Kinder sehen“. Aber nur, wenn gerade der jährliche Wettbewerb aufschlägt. Ansonsten gibt es nur die von einem anderen Wettbewerb übrig gebliebenen hübschen Figuren als Selfie-Sehenswürdigkeit.

Vielleicht doch aussteigen? Oder lieber in Oberkassel, um den japanischen Garten und das Eko-Haus zu besuchen? Aber auch dort ist kein Hinweisschild zu sehen. Dafür wachsen Einem quasi wilde Brombeeren am Wegesrand in den Mund. Bildungshunger und Wissensdurst lassen sich eben auf vielfache Art und Weise stillen, und zur urigen Oberkasseler Kneipenszene ist es auch nicht mehr weit.

Bärbel staunt: „So sehen echte Düsseldorfer aus?“. Relativ gesehen: „Das sind Oberkasseler, die sind speziell.“ Und provozieren gleich die nächste Frage: „Warum tragen in Düsseldorf so viele ältere Frauen Kinderkleidchen?“ In Berlin nicht? In Berlin nicht! Wobei ganz nebenbei ansatzweise die Frage geklärt wäre, worin sich Düsseldorf und Berlin als Modestädte unterscheiden.

Was Hauptstadt und NRW-Metropole sonst noch unterscheidet? Bärbel berichtet aus Berlin, wo sie nach der Wende im Stadt-Marketing gearbeitet hat: „Da haben wir uns die Bänder für die Stadt-Rundfahrten in regelmäßigen Abständen angehört und ergänzt. Immer bemüht, das neue Berlin mit rein zu bringen: So eine Stadt verändert sich doch ständig.“ Wohl wahr. Auch Düsseldorf. Der Busfahrer brummelt dann, dass drei von 15 täglichen Stadtrundfahrten einen echten Gästeführer an Bord haben. Haben wir leider verpasst.

Und es kann doch auch nicht nur am Wetter gelegen haben, dass mir mein geliebtes Düsseldorf vom Doppeldecker aus gesehen nur halb so schön vorkam als in meinem Hirn und Herzen. Also besser gleich einen echten Düsseldorfer mitnehmen zur Stadterkundung. Zur Ehrenrettung: Die gibt’s auch bei diversen angebotenen Themen-Touren zu Fuß durch die Stadt. Ist sowieso am besten: Hopp off — und selber gucken und genießen.