Düsseldorf Die lange Tradition der Bürgerproteste
Düsseldorf · In Düsseldorf entwickelt sich eine neue Art von Protest: Fakten schaffen, statt Initiativen gründen
Meist beginnt es, wenn irgendetwas gebaut oder gefällt werden soll. Gebaut werden vor allem neue Häuser, neue Laternen, neue Windräder, gefällt hauptsächlich alte Bäume. Wenn Markierungen auf dem Boden zu sehen sind, Zäune aufgestellt werden, melden sich die, die am nächsten dran sind: Die Anwohnerinnen und Anwohner. Man habe von dem Vorhaben nicht gewusst, heißt es dann oft über alle Stadtteile und Bezirke hinweg, egal ob Oberkassel oder Oberbilk. In dem einen oder anderen Fall will sich die Nachbarschaft nicht mit den Plänen abfinden – und lehnt sich auf.
Das ist nichts Neues, Bürgerproteste haben eine lange Tradition – sie haben ihren Ursprung in der Zeit der 1968er, in den folgenden Jahren entwickelten sich immer mehr Bürgerinitiativen. Aus solch einer Bewegung sind etwa auch die Grünen hervorgegangen. Neuerdings scheint sich in Düsseldorf jedoch eine neue Art von Protest zu etablieren: Anwohner finden sich nicht mehr nur in Gruppen zusammen, sammeln Unterschriften und wenden sich – mal mehr, mal weniger erfolgreich – mit ihren Beschwerden an die Politik. Stattdessen schaffen sie selbst Fakten, mal kreativ, mal kostspielig.
In Niederkassel etwa hat ein Anwohner der Leostraße drei Mammutbäume für einen Spielplatz im Feldmühlepark gespendet. Er fühlte sich offenbar von einer neuen Rutsche gestört, die die Sonne reflektiert und ihn blendet. Über den Standort und die Baumart habe das Gartenamt anhand fachlicher Kriterien entschieden, heißt es von der Stadt. Spricht nichts dagegen, könnten jedoch auch die Wünsche der Spender einfließen – so wie im Feldmühlepark geschehen. Alles mit rechten Dingen zugegangen also. Den Sichtschutz hat sich der Anwohner eine „großzügige Spende im fünfstelligen Bereich“ kosten lassen.
Noch mehr dürfte ein Oberkasseler für das Freihalten seiner Einfahrt gezahlt haben: Rund sieben Jahre lang standen vor einem millionenschweren Haus mit Rheinblick zwei Smarts, links und rechts einer Garageneinfahrt dauergeparkt, damit man dort mit dem echten Auto, das sicherlich kein Smart ist, besser hineinkommt. Eine praktische Lösung der Oberkasseler Art. Mittlerweile braucht es die aber nicht mehr. Die Stadt hat ein absolutes Halteverbot an der Ecke Hohestaufenstraße und Kaiser-Friedrich-Ring eingerichtet, das auch die beiden Poller-Autos betrifft. Das ist wiederum gut für den Garagenbesitzer: Nun darf niemand mehr rund um seine Einfahrt parken, sodass er jetzt reichlich Raum zum Rangieren hat.
Ähnlich radikal, aber deutlich kostengünstiger hat sich eine Werstenerin kürzlich gegen eine Laterne vor ihrer Haustür gewehrt. Auf dem Ohmweg will die Stadt testen, „wie die Sicherheit für alle Verkehrsteilnehmenden auch bei sanftem Licht gewährleistet werden kann“, heißt es. Zusätzlich zu den Gasleuchten sollen dort elektrisch betriebene Laternen aufgestellt werden. Die Markierung vor ihrer Haustür nahm die Anwohnerin also kurzerhand mit einer Sitzbank in Beschlag. Vorerst mit Erfolg: Die Bauarbeiter konnten nicht tätig werden, Mitarbeiter der Netzgesellschaft prüfen nun nach Gesprächen mögliche Alternativen.
Unterstützung bekam die Anwohnerin von Nachbarn, die sich alle darüber ärgerten, dass niemand vorher mit ihnen gesprochen habe. So geht es vielen Anwohnerinnen und Anwohnern, die sich gegen Baupläne oder Baumfällungen wehren. Es sei über die Köpfe der Nachbarschaft hinweg entschieden worden, heißt es. Oftmals ist es dann aber schon zu spät. Mangelt es also an der Kommunikation?
Jein. Die meisten Entscheidungen fallen nicht ganz plötzlich hinter verschlossenen Türen, sondern werden in Bezirksvertretungen, Ausschüssen, Ratssitzungen diskutiert und beschlossen – die Sitzungen sind für jeden und jede offen, Bürgerinnen und Bürger haben zu Ende jeder Sitzung ein Rederecht. Und auch Bürgerbeteiligung ist längst kein Feigenblatt mehr. Beim Park Ludenberg an der Blanckertzstraße haben die Anwohner den Siegerentwurf, der die Bäume stehen lässt, quasi mit definiert. In Flingern haben sie den Entwickler Cube dazu gebracht, auf Baurecht (vor allem ein Hotel) zu verzichten, gemeinsam wurde neu geplant. Natürlich funktioniert Bürgerbeteiligung nicht für jede Laterne, aber es ist der richtige Weg zur Mitsprache. Der voraussetzt, dass sich die Anwohnerschaft beteiligt. Das wiederum könnte offenbar hohe Kosten und viel Ärger ersparen.