Die Siedlung der Künstler

In Golzheim entstanden Häuser eigens für Künstler. Ein neues Buch erzählt davon.

Foto: Archiv Dorette Khezri

Die Künstlersiedlung Golzheim besteht seit 80 Jahren, und ihre Bewohner dürfen sich gerne wie die Maden im Speck fühlen. Sie genießen die preiswertesten Mieten in ganz Düsseldorf, und das in eigenen Häuschen mit viel Garten und einer parkähnlichen Gemeinschaftsgrünfläche. Jetzt macht Corina Gertz, die dort ebenfalls seit 2004 mit ihrem Mann Kris Scholz lebt, die Siedlung noch ein bisschen berühmter und dokumentiert die Szene. Soeben brachte sie ihr zweites Buch heraus, jetzt stellte sie es im Künstlerverein Malkasten vor.

Foto: Bernd Nanninga

Zur Historie nur so viel: Die große Reichsausstellung „Schaffendes Volk“ wurde 1937 auf dem heutigen Gelände des Nordparks und des Aquazoos eröffnet. Das Projekt umfasste auch eine Musterhaus-Siedlung, die ursprünglich vom Deutschen Werkbund geplant war und heute unter Schutz steht. Für den Aufbau der damaligen Ausstellung musste das Gebäude der inzwischen abgerissenen Neuen Akademie geräumt werden. Die dort lebenden 57 Künstler kamen in der neuen Siedlung unter. Corina Gertz beschreibt, wie jüdische Künstler in dieser Siedlung abgelehnt wurden. Das traf etwa für den Maler Peter Janssen zu, Enkel des Akademiedirektors Johann Peter Theodor Janssen.

Besonders perfide war, dass Janssen von der Bankiersfamilie Leiffmann abstammte, der ursprünglichen Grundstücksbesitzerin, auf deren Fläche die Nazis die Künstlersiedlung erbauten. Janssen junior erhielt Berufsverbot, wurde 1944 verhaftet und in ein Arbeitslager deportiert, wo ihm im Januar 1945 die Flucht gelang. Er tauchte unter. 1952 erhielt er den Cornelius-Preis der Stadt Düsseldorf. Heute gehören die Ateliers der Städtischen Wohnungsgesellschaft. Sie verwaltet die Siedlung, lässt aber Ateliers auch leer stehen. So konnte es geschehen, dass Magdalena Jetelova zwar 2004 ihre Professur an der Kunstakademie aufgab und seitdem in München lebt, mit Zweitsitz in Bergheim. Die Räume in der Künstlersiedlung nutzte sie als Lager, erst vor kurzem gab sie sie frei.

Heute sind es nicht nur Künstler, die in den Häusern leben, für welche nur eine geringe Monatsmiete fällig ist. An dieser Fremdnutzung wird regelmäßig Kritik geübt, zumal das Atelierförderprogramm der Stadt ausschließlich für Künstler zuständig ist.

Dass die Witwen verstorbener Künstler weiterhin in den Häusern leben durften und dürfen, dafür kämpfte die Ehefrau des verstorbenen Künstlers Carl Vilz. Für ihren Einsatz in Golzheim wird sie in dem Buch als „Vorkämpferin aller zukünftigen Witwen“ gefeiert.

Die Zeiten, da in den Höfen Sommerfeste begangen wurden und eine Kapelle zum Tanz aufspielte, gehören der Vergangenheit an. Dorette Kherzi, Tochter von Carl Vilz, erzählt, wie die Eltern im Bademantel zum Rhein gingen, um zu schwimmen. Der Rhein war sauber, und im Winter fror er zu. Solche Szenen sind heute nicht mehr zu erleben.

Weiterhin werden die Mieter über das Kulturamt ausgesucht. Stefan Sous wohnte noch nicht in der Siedlung, als er die Lichtbänke für den Hofgarten schuf; aber die Bänke waren sein Entree. Der jüngste Zugang ist Matthias Wollgast, der vom Galeristen Rupert Pfab vertreten wird und von ihm auch empfohlen wurde.

Auf hundert Seiten werden die einstigen wie die heutigen Bewohner mit künstlerischen Beispielen präsentiert. Wichtigster Künstler anno dazumal war Bruno Goller. Ihm ist ein doppelseitiges Foto von Barbara Klemm gewidmet.

Info: Corina Gertz: 80 Jahre Künstlersiedlung Golzheim; 10,70 Euro