One-Shot-Dokumentation aus Düsseldorf Die ungeschnittene Version der Kiefernstraße

Düsseldorf · Der junge Filmemacher Masoud Ghahremani hat eine Dokumentation über die Straße in Flingern gedreht, die einst wegen Hausbesetzungen berühmt wurde. Trotz der 100 Minuten Länge kommt der Film ganz ohne Schnitt aus.

Masoud Ghahremani hat eine Dokumentation über die Kiefernstraße gedreht, die bislang nur einmal exklusiv im Zakk zu sehen war.

Foto: Leon Ranjan Dutta Roy

Der Sekundenzeiger dreht sich nicht rechts-, sondern linksherum, gegen den Uhrzeigersinn. Die Uhr hängt an der Wand in Florians Küche, über einer DVD-Sammlung. Sie stammt aus seiner Anfangszeit auf der Kiefernstraße. Er kam aus einem normalen Mietverhältnis und konnte dann doch nicht wie geplant in die neue Wohnung an der Straße mit den bunten Fassaden in Flingern-Süd einziehen. Ein Freund sagte damals: „Ich verstehe, dass du dich ärgerst. Aber vergiss nicht: Auf der Kiefernstraße ticken die Uhren anders.“ Und jetzt, viereinhalb Jahre später, sagt Florian, versteht er das.

Es ist eine Szene aus einem Dokumentarfilm, den der junge Filmemacher Masoud Ghahremani über die Kiefernstraße und ihre Bewohner gedreht hat. Der Film „(N)irgendwo in Deutschland“ ist rund 100 Minuten lang und kommt dennoch ganz ohne Schnitt aus.

Die Kiefernstraße als Thema für eine Doku, sagt Masoud Ghahremani, habe er ganz zufällig entdeckt. Der Student war in unterschiedlichen Ecken von Düsseldorf unterwegs, um Locations für ein anderes Filmprojekt zu finden. Dabei sei er sofort mit einigen Anwohnern ins Gespräch gekommen, die ihm auch ihre oftmals kreativ gestalteten Wohnungen gezeigt haben. „Ich fand die Kiefernstraße sofort so interessant, so bunt, so multikulturell“, sagt Ghahremani. „Ein Abbild von Deutschland, ein Mikrokosmos, der zeigt, wie Zusammenleben funktionieren kann.“

Etwa einen Monat lang hat er recherchiert, sich über die Geschichte der Straße als Zuhause von Hausbesetzern informiert und schnell beschlossen, dass eine Dokumentation über die Kiefernstraße keinen Schnitt braucht. „Ich wollte die Realität zeigen. Die Kiefernstraße ist eine Kunst für sich.“ Einiges, was in der Dokumentation zu sehen ist, ist natürlich inszeniert, wie der 23-Jährige selbst sagt. Etwa der Goldfisch im Glas auf Florians Theke, der die Einsamkeit symbolisieren soll, von der ihm viele Anwohner berichteten. Oder der Nachbar, der auf der Straße tanzt, die musizierende Band, die ein Banner übers Fenster gehängt hat, und der Kulturexperte, der aus einem der Wohnhäuser kommt. Auch der bunte Bus, in den sie am Ende steigen, steht nicht zufällig da mit geöffneter Tür. Schließlich mussten auch alle, die letztlich im Film zu sehen sind, damit einverstanden sein.

Aber inszeniert ist nicht unecht. Es ging darum, in 100 Minuten die Vielseitigkeit und Offenheit der Kiefernstraße zu zeigen. Als Masoud Ghahremani während seiner Recherche die bunte Straße besuchte, sei er mit immer mehr Menschen ins Gespräch gekommen. Wenn er erzählte, dass er einen Film drehen wolle, sei die Reaktion meist gewesen: „Mach doch. Brauchst du Hilfe?“ Vorurteile über die Straße, die auch andere ihm gegenüber geäußert hätten, hätten sich in Luft aufgelöst. „Ausnahmslos alle haben uns geholfen. Selbst die, die im Film nicht zu sehen sein wollten.“ Den Anwohnern sei aber wichtig gewesen, dass sie das sagen dürfen, was sie sagen wollen, sagt der Düsseldorfer. „Auch Schimpfwörter hätten wir nicht rausgeschnitten, aber die sind ohnehin nicht gefallen.“

Einmal habe das Team den Ablauf geprobt, dann ging es los. Für das Filmteam war der Dreh des One-Shots auch eine Herausforderung. Kamerafrau und Tonleute konnten nicht in jeder Szene an dem perfekten Bild und Ton feilen. „Uns war klar: Wenn es dunkel ist, ist das Bild dunkel, wenn es windig ist, hört man das“, sagt der Filmemacher. Musik und Farbgebung stammen, natürlich, von der Kiefernstraße selbst.

Masoud Ghahremani und sein kleines Filmteam haben die Dokumentation einmal gezeigt, bei einer exklusiven Vorführung im Zakk für die Anwohner der Straße. Der 23-Jährige will ihn aber auch bei der Duisburger Filmwoche einreichen, wo er dann noch einmal auf der Leinwand laufen könnte.

Mit dem Namen „(N)irgendwo in Deutschland“ lässt der junge Filmemacher viele Interpretationen offen. Für einige, sagt Ghahremani, sei das Wohnen und Dasein auf der Kiefernstraße eben kein vorstellbares Leben, für andere ist es die Realität.