Großmarkt in Düsseldorf „Es ist, als würde uns ein Stück Heimat abgerissen“
Düsseldorf · Der Großmarkt an der Ulmenstraße wird Ende 2024 aufgelöst. Zwei Händler erzählen, wie sich das anfühlt – und was sie jetzt machen.
Morgens, halb fünf an der Ulmenstraße: Kleintransporter, Lkws und Gabelstapler fahren kreuz und quer über den Parkplatz auf dem Großmarktgelände. In den Hallen stehen palettenweise Produkte, hauptsächlich Obst und Gemüse. Menschen laden ein und aus, packen um. Sie alle arbeiten die Nacht durch, bis in die frühen Morgenstunden. Viele schon seit Jahren, Jahrzehnten.
Doch diese Tradition geht ihrem Ende entgegen. Nach dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts soll der Großmarkt an der Ulmenstraße verschwinden. Das betrifft vor allem die Obst- und Gemüsehändler. Sie sind erbost, traurig und verstehen die Entscheidung nicht. Ob es wohl eine Alternative gibt? Wir haben zwei Männer nach ihrer Stimmung gefragt, ihre Antworten sind jeweils als Erfahrungsbericht im O-Ton aufgeschrieben.
Hans Peter Deutschmann:
„Ich arbeite seit 1985 als Händler im Großmarkt und kannte das alles hier schon als Kind. Momentan arbeite ich sechs Tage, und zwar ‚halbtags‘: Ich gehe um 17 Uhr schlafen, stehe um 22 Uhr abends auf, fahre zum Großmarkt und bleibe bis mittags, sodass ich gegen 13 Uhr wieder zu Hause bin. Am Großmarkt muss man Freude haben, ich habe mich all die Jahre – fast 40 – immer wohlgefühlt. Ich stecke hier meine ganze Lebenskraft rein. Der Umgang ist persönlich, man kennt und duzt sich, es ist locker. Das gefällt mir.
Als sie gesagt haben, dass die Stadt zum 31. Dezember den Strom abstellen will, waren meine ersten Gedanken: Das kann nicht sein. Auch heute morgen waren verblüffte Kunden da. Es war wieder viel los. Das soll ins Nichts gehen? Als vorne die Pforte mit „Großmarkt Düsseldorf“ abgerissen wurde, war das komisch. Es ist eine Schande, dass das hier wegkommt und unvorstellbar, dass der Großmarkt für Düsseldorf nicht mehr gebraucht werden soll. Es ist ein Dreh- und Angelpunkt. Ja, wir verdienen Geld daran, aber es ist auch ein richtiges Netzwerk hier. Manche Kunden kommen jeden Tag, auch von außerhalb. Es gibt viele kleine Produzenten, die sich an uns ausrichten. Für diese Leute wäre es fatal, bräche der Markt weg.
Der Großmarkt ist Tradition und eine Bereicherung für Düsseldorf. Ich beschäftige 15 Leute und wir leben alle davon. Wir treffen uns nicht nachts, um Karten zu spielen. Wir sind auch nicht blauäugig und warten bis Ende des Jahres. Es ist schade, dass keinerlei Einigung getroffen wurde und das alle hier jetzt leiden müssen. Wir haben getan, was ging und haben oft versucht, mit der Stadt zu sprechen. Zuletzt haben wir angeboten, die Hallen komplett zu übernehmen. Einen Businessplan haben wir auch eingereicht. Wir hätten das auf eigene Faust gemacht. Aber das ging nicht.
Ich möchte auf keinen Fall, dass meine Firma zugemacht wird, emotional wie finanziell gesehen. Das würde sehr wehtun, auch wenn es momentan der bequemste Weg wäre. Ich kann aber auch keinen Großmarkt alleine stellen, da braucht man mehrere Leute für. Wir sind aber guter Dinge, dass sich eine Alternative bieten kann. Mir liegt viel daran, deswegen kümmere ich mich so intensiv. Auch wenn der Oberbürgermeister meint, der Großmarkt sei nicht mehr zeitgemäß. Überall, wo frische Ware gebraucht wird, wird von hier gefahren. Und die Leute wollen hier nicht weg. Es ist wie ein Stück Heimat abzureißen.“
Wilhelm Andree
„Der Großmarkt und ich sind beide Jahrgang 1935. Seit ich zwölf bin ist mein Leben Arbeit. Und der Großmarkt ist mein Leben. Ich bin damals mit meinem Vater in jungen Jahren jeden Tag hergekommen. Das waren noch andere Zeiten. Ich habe alles gesehen vom Aufbau, Umbau und die Entwicklungen. Und seit 55 Jahren bin ich jede Nacht hier: von 11.30 Uhr bis zum nächsten Tag 10 oder 11 Uhr, je nach Feierabend. Wir produzieren selber regional und haben hier einen Ort zum Verkauf. Der Großmarkt ist Absatzmarkt, Tradition und Notwendigkeit. Wenn die uns den Hahn zudrehen, dann ist es vorbei. Die Stadt ärgert uns schon neun Jahre lang – und wir kämpfen seit neun Jahren.
Die Politik ist gegen uns und weiß nicht, was die hier vor die Wand fährt. Da wird man in der Landwirtschaft groß, fährt täglich zum Großmarkt und auf einmal ist das einfach zu Ende? So eine Veränderung ist schwer, besonders für ältere wie mich. Die Politik ist darauf bedacht, das Großmarktgelände gut zu verkaufen. Alles soll jetzt mit Metro bebaut werden. Deswegen müssen wir weg, wegen des Geldes Willen. Aber warum wird die Metro umgesiedelt, wenn sie doch schon einen Ort hat? Ich habe dem Bürgermeister auch einen Brandbrief geschrieben. Die Antwort war kurz und wir seien selber schuld und uns uneinig gewesen.
Als das Eingangstor abgerissen war, kamen mir die Tränen. Man ist mit dem Ort verbunden, hat sein Geld hier verdient. Ich fühle Zorn und Unverständnis. Das kann nicht wahr sein. Wie viele Existenzen gehen dadurch kaputt? Wohin mit der Ware? Wir wissen noch nicht, wie es weitergeht. Umsiedeln möchte ich nicht. Auch unsere Kunden sind ratlos und sauer. Aber man braucht Großmärkte, weil sie auch öffentliche Einrichtungen, Schulen, Tafeln, Restaurants und Hotels beliefern.
Es ist unvorstellbar, dass das hier alles zugemacht werden soll. Das ist mein Stolz, mein Leben und das wird kaputt gemacht. Es bricht eine Welt zusammen. Ich habe schon mal gesagt, dass der Großmarkt nur über meine Leiche geschlossen wird. Ich protestiere so lange, wie es geht. Ich könnte mich so aufregen, da muss ich auf meinen Herzschrittmacher aufpassen.“