Soziales aus Düsseldorf Ein Schlaganfall bedeutet nicht das Ende des Lebens
Düsseldorf · Heiko Vetter hat sich als Schlaganfall-Helfer ausbilden lassen. Betroffene dabei zu unterstützen, wieder den Alltag zu meistern, empfindet er als erfüllende Aufgabe. Die LVR-Klinik in Ludenberg hofft nun auf weitere Ehrenamtler.
Heiko Vetter hatte vor einigen Jahren eine gesundheitliche Krise, genau genommen waren es sogar zwei, aber zu sehr ins Detail gehen möchte er nicht. Fakt ist jedenfalls: Er ist gestärkt daraus hervorgegangen, hat seine Prioritäten verschoben. „Gesundheit steht jetzt ganz klar an erster Stelle. Ich war 33 Jahre lange selbstständig, habe immer performt, es aber übertrieben“, sagt er rückblickend. Die Zäsur in seinem Leben hat ihm auf jeden Fall dabei geholfen, wieder zu sich selbst zu finden. Und in diesem Prozess reifte bei Vetter der Wunsch, anderen Menschen, die ebenfalls einen gesundheitlichen Rückschlag erlitten haben, dabei zu unterstützen, ihre Selbstwirksamkeit zurückzufinden und den Mut nicht zu verlieren. Heiko Vetter ließ sich zum Schlaganfall-Helfer ausbilden.
Dieses Projekt gibt es seit dem Vorjahr auch in Düsseldorf, ins Leben gerufen hat es die Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe. Mehr als 600 Personen konnten in den vergangenen Jahren in Kooperation mit regionalen Partnern bereits insgesamt ausgebildet werden. In Düsseldorf wird es koordiniert von Professor Dr. Rüdiger Seitz, ehemaliger Leiter der Abteilung für Neurologie am LVR-Klinikum in Ludenberg. Acht Teilnehmer haben sich bei der Premiere 2023 ausbilden lassen.
Die Hauptaufgabe der Ehrenamtler, die in Düsseldorf eine zweitägige Schulung durchlaufen müssen, besteht darin, die Betroffenen und Angehörigen individuell in ihrem Alltag zu begleiten und zu unterstützen. Da die Schlaganfall-Helfer mit den Versorgungsstrukturen vor Ort bestens vertraut sind, können sie schnell und effektiv bei Herausforderungen helfen. Als Vertrauensperson und kontinuierlicher Begleiter können Schlaganfall-Helfer die Selbstständigkeit und Krankheitsbewältigung fördern und der sozialen Isolation vorbeugen.
So die Theorie. Aber Heiko Vetter hat genau das auch in der Praxis durchaus so erlebt. Zwei Menschen konnte er helfen, bei einem engen Freund möchte er lieber nicht so viel erzählen.
Schlaganfall-Helfer können
die Selbstständigkeit fördern
Etwas anders sieht es bei einer älteren Dame, Mitte 70, aus, deren Name hier nichts zur Sache tut, die nach zwei Schlaganfällen kurz hintereinander („Bei ihrer linken Seite funktioniert so gut wie gar nichts mehr.“) aber die Hilfe des zuvor Fremden gerne angenommen hat. Jeden Donnerstag trafen sich die beiden ein Jahr zu einem ausgedehnten Spaziergang. „Es ging dabei nicht zuletzt darum, ihr Umfeld als Training zu nutzen, zuvor vermeintlich selbstverständliche Dinge wieder zu erlernen und zu meistern – Stufen, Barrieren, Treppen, im Wald der vermeintlich lapidare Wechsel von einer zur anderen Oberfläche“, berichtet Vetter. Natürlich sei er kein Therapeut, erst recht kein Arzt, „aber ich konnte auch dank meiner eigenen Erfahrung helfen, mutig, aber eben auch geduldig zu sein, da vieles nur in kleinen Schritten funktioniert. Und das muss man dann auch feiern dürfen“.
Theoretisch können die Ehrenamtler auch dabei helfen, sich im Behördendschungel zurechtzufinden, Anträge auszufüllen, im Fall von Heiko Vetter war das nicht nötig. Fast noch wichtiger ist ohnehin, „dass es eine Partnerschaft auf Zeit und vor allem auf Augenhöhe ist“. Unerlässlich ist daher, dass die Chemie stimmt. „Nur so ist es möglich, den Betroffenen dazu zu bewegen, aktiv zu werden, sich nicht hängen zu lassen, sich auch wieder mit Freunden zu treffen“, so Vetter.
Die Akutversorgung bei Schlaganfällen in Deutschland sei durch die Spezialstationen (Stroke Units) sehr gut, „bei der Nachsorge gibt es aber noch Lücken, die versuchen wir, mit so einem Modellprojekt zu schließen“, sagt Anne-Marie Brockmann von der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe. Dass übrigens ältere Menschen eher mit einem Schlaganfall leben können als jüngere, die ihr „ganzes Leben“ womöglich noch vor sich haben, glaubt Heiko Vetter nicht. „Jüngere wollen ihr Leben wieder zurück, wollen auch wieder arbeiten und sind eher bereit, zu kämpfen als ältere, die erst mal in ein Loch fallen.“
Was jedenfalls für ihn gilt: „Auch ich nehme nach den Begegnungen mit einem Betroffenen viel mit. Die Dankbarkeit rührt, es ist aber vor allem der Stolz, jemanden motiviert zu haben, nicht aufzugeben.“