Einschätzung des Behindertenrates Wie barrierefrei ist Düsseldorf?
Düsseldorf · Bei Neubauten und Sanierungen denken Planer immer mehr an Menschen mit Behinderung. Auch an Orten wie Spielplätzen ist es bald Standard. Aber reicht das aus? Der Behindertenrat der Stadt Düsseldorf schätzt die Lage ein.
Wenn man die Mitglieder des Behindertenrates fragt, wie es um Barrierefreiheit in Düsseldorf steht, ist die Antwort vorsichtig positiv: „Wir sind auf einem guten Weg, man hört uns heute zu und nimmt uns ernst“, sagt Ottfrid Hillmann, stellvertretender Vorsitzender des Behindertenrates. In den vergangenen Jahren seien einige Barrieren in der Stadt abgebaut worden, Inklusion sei bei Neuplanungen im öffentlichen Raum immerhin regelmäßig Thema. In großen Jubel verfallen die Mitglieder des Rates allerdings nicht, es gebe noch viele verbesserungsbedürftige Stellen.
„Es könnte schneller gehen. Manchmal hat man das Gefühl, es läuft gut, dann gibt es einen Rückschlag“, sagt Norbert Zielonka, für den Sozialverband VdK im Behindertenrat. Ein Beispiel dafür sei die Neugestaltung der Schadowstraße, die aus Sicht des Behindertenrates wenig barrierefrei ist. Der Radweg in der Mitte der Straße sei für sehbehinderte Menschen schwer erkennbar. Es fehle an Kontrasten im Boden und an einem vollständigen taktilen Leitsystem. Dass sich Fußgänger und Radfahrer den Raum teilen, sei für Menschen mit Sehbehinderung eher eine Gefahrenquelle. „So wie es jetzt ist, kann es nicht bleiben“, sagt Zielonka.
Schadowstraße kommt
ohne Bordsteine aus
Am Beispiel Schadowstraße zeigt sich, wie vielschichtig das Thema Barrierefreiheit ist: Mobilitätseingeschränkte Menschen dürften den aktuellen Zustand nämlich wesentlich besser finden als sehbehinderte. Die Straße kommt ohne Bordsteine aus, die Geschäftseingänge sind ebenerdig und die nahe gelegenen Straßen- und U-Bahnstationen sind stufenlos oder per Aufzug erreichbar. „Behindert ist eben nicht gleich behindert“, sagt Renate Hoop, Mitglied im Behindertenrat. Während Menschen im Rollstuhl möglichst ohne Kanten und Stufen auskommen wollen, brauchen blinde Menschen gerade diese Kanten zur Orientierung. Die Herausforderung sei, die verschiedenen Bedürfnisse der Menschen zu vereinen.
Dass das auch praktisch möglich ist, zeigt Hoop zufolge der umgestaltete Carlsplatz. Gerade die Querungshilfen an der Benrather Straße seien ein gutes Beispiel, wie sowohl mobilitäts- als auch sehbehinderte Menschen die Verkehrsinsel nutzen können: Die Hälfte des Bordsteins ist ebenerdig, die andere hat eine Kante. Es seien häufig Kleinigkeiten, die den Alltag von behinderten Menschen erleichtern – oder umgekehrt erschweren. „Das können Menschen ohne Einschränkungen häufig nicht nachvollziehen oder wissen. Das machen wir auch niemandem zum Vorwurf“, sagt Zielonka. Umso wichtiger sei es, Betroffene früh in die Planung einzubinden – auch, um spätere Korrekturen zu vermeiden.
In der Regel sehe die Planung für Neubauten oder Sanierungen schon Barrierefreiheit vor. Häufig werde der Fokus aber auf mobilitätsbezogene Barrieren gelegt. Gehörlose, sehbehinderte Menschen oder Menschen mit kognitiver Behinderung kommen da seltener vor. „Unsere Aufgabe ist es, auch da weiter zu sensibilisieren“, sagt Zielonka. Das gehe von der Frage nach Beschriftungen in Braille-Schrift über das Beschildern in Piktogrammen bis hin zur Entscheidung, ob eine Automatiktür in einer Kita besser per Taster oder über einen Bewegungsmelder gesteuert wird.
Bei allen Details sollte aber das Gesamtbild nicht aus den Augen verloren werden, warnen die Mitglieder des Behindertenrates. „Was nützt mir die barrierefreie Schule oder der barrierefreie Spielplatz, wenn ich da nicht hinkomme“, sagt Hoop. Zu häufig sei etwa die Anbindung mit dem ÖPNV für mobilitätseingeschränkte Menschen nicht oder nur schwierig möglich. Fehlt das taktile Leitsystem auf dem Weg zum Gebäude oder auch innerhalb dessen, finden sich sehbehinderte Menschen ohne Hilfe oft nicht zurecht.
„Punktuell wird viel getan. Das Gesamtkonzept könnte aber verbessert werden“, sagt Hoop. Es fehle ein roter Faden, Inklusion und Barrierefreiheit würden zu selten als Querschnittsthema, sondern häufig nur innerhalb eines Ressorts begriffen.
Trotzdem betonen die Mitglieder des Behindertenrates, dass es insgesamt vorangeht und – zumindest im Zuge von ohnehin geplanten Sanierungen – Barrieren abgebaut werden. Etwa bei Spielplätzen, die nun immer inklusiver werden. Auf dem wiedereröffneten Spielplatz im Hofgarten können Kinder im Rollstuhl manche Spielgeräte nutzen, die Wege zwischen den Sandkästen sind befestigt und ebenerdig. Auch Kultureinrichtungen wie die Zentralbibliothek zeigen, dass Barrierefreiheit abseits von baulichen Maßnahmen funktioniert: Dort sei Inklusion etwa in Form von Büchern in einfacher Sprache sichtbar, Angebote richten sich auch an Menschen mit kognitiver Behinderung.
Wenn man die Mitglieder des Behindertenrates fragt, wie es zukünftig um die Barrierefreiheit in Düsseldorf steht, ist die Antwort vorsichtig fordernd, sie wollen aus der Bittsteller-Rolle heraus.
„Ich würde mir wünschen, dass wir nicht als Randgruppe betrachtet werden, die man als Zusatzprojekt auch noch betreuen muss. Barrierefreiheit hilft allen, auch Menschen ohne Einschränkung“, sagt Hoop.