Interview Friederike Guderian „Das ‚Wir‘ droht verloren zu gehen“

Interview | Düsseldorf · Die zweite Vorsitzende des Stadtverbands der Kleingärten über Ärger mit Trampolinen und die Grundsteuerreform.

 Die 2. Vorsitzende Friederike Guderian auf der Gerresheimer Kleingartenanlage Am Balderberg. Der Vorstand kommuniziert mit den einzelnen Kleingartenvereinen.

Die 2. Vorsitzende Friederike Guderian auf der Gerresheimer Kleingartenanlage Am Balderberg. Der Vorstand kommuniziert mit den einzelnen Kleingartenvereinen.

Foto: Hans-Juergen Bauer (hjba)

Kleingärten haben in den vergangenen Corona-Jahren einen besonderen Boom erlebt. In Düsseldorf gibt es rund 100 Kleingartenvereine. Zusammengehalten werden diese vom Stadtverband Düsseldorf der Kleingärtner. Wir haben mit der 2. Vorsitzenden Friederike Guderian über die Entwicklung gesprochen.

Damit keine falschen Vorstellungen aufkommen, können Sie die Aufgaben des Stadtverbandes kurz umreißen?

Friederike Guderian: Der Stadtverband ist die Interessenvertretung der Vorstände der Kleingartenvereine der Stadt, sozusagen deren Dachorganisation. Für die Kommunikation mit den einzelnen Vereinsmitgliedern sind aber diese Vorstände zuständig.

Wie sieht dann Ihre Arbeit konkret aus?

Guderian: Der Vorstand trifft sich einmal in der Woche, in der Regel dienstags. Dann gehen wir die Post der Woche durch, besprechen dringende Anliegen und beantworten Anfragen, bereiten Mitgliederversammlungen und Informationsveranstaltungen vor. Unsere Arbeit ist ehrenamtlich. Bezahlt werden hingegen unsere Bürokraft, Nicole Mersch, und unsere Buchhaltung; sie kümmern sich um das Organisatorische und dass der „Laden“ läuft.

Wie funktioniert die Pacht der Grünanlagen?

Guderian: Unsere Kleingartenanlagen befinden sich auf städtischem Grund. Zwischen der Stadt und uns wurde 2005 der aktuell gültige Generalpachtvertrag geschlossen. Konkret gibt es ein gestaffeltes Pachtverhältnis: Die Stadt verpachtet ihre Flächen an uns, wir wiederum verpachten im Rahmen eines Zwischenpachtvertrages an die einzelnen Vereine, die dann die einzelnen Parzellen an ihre Mitglieder verpachten.

Können Sie die Definition eines Kleingartens nochmal erläutern?

Guderian: Das Bundeskleingartengesetz definiert die kleingärtnerische Nutzung. Danach dient er in erster Linie der Eigenversorgung mit Obst und Gemüse. Freizeitnutzen und Zierpflanzen stehen daher entsprechend erst an zweiter Stelle und dürfen keine Überhand nehmen. Die Auslegung und Gestaltung kann natürlich vielfältig sein, solange sie im Rahmen der Kleingartenordnung bleibt.

Was fällt unter anderem unter die Freizeitnutzung?

Guderian: Wir bemerken eine Veränderung, spätestens seit der Pandemie. Da werden vermehrt Spielgeräte, Pools oder Trampoline, teilweise auch zeitgleich, in einzelnen Parzellen aufgestellt. Leider wird dabei nicht immer auf das Einhalten der vorgegebenen Abmaße geachtet. Uns wäre es wichtig, dass sich alle an die Regeln halten und vor allem Augenmaß walten lassen würden.

Warum ist es denn so wichtig, dass diese Verhältnismäßigkeit beibehalten wird?

Guderian: Abgesehen von der Einhaltung der Regeln der Kleingartenordnung der Stadt und des Bundeskleingartengesetzes, geht es auch um Geld: In einem Kleingarten liegt der Pachtzins bei 40 Cent pro Quadratmeter. Werden aber die Vorschriften nicht eingehalten – und die besagen in der Regel, dass mindestens ein Drittel der Fläche zum Obst- und Gemüseanbau genutzt werden muss – dann könnte die gesamte Anlage in einen Freizeitgarten umgewidmet werden. Und für die gilt ein sehr viel höherer Pachtzins.

Hilft es da nicht, das so zu kommunizieren?

Guderian: In der Regel wissen unsere Vorstände das. In unseren Informationsveranstaltungen für die Vorstände wird das immer wieder angesprochen. Aber wie überall, gibt es auch in unserem Bereich immer eine Handvoll Querschießer, die sehr laut sein können. Die schweigende Mehrheit wird dann nicht mehr gehört. Dabei haben wir alle das gleiche Ziel: Eigentlich wollen wir nur friedlich gemeinsam gärtnern.

Lässt der Boom schon wieder nach oder verlieren die neuen Pächter das Interesse?

Guderian: Die meisten, die einen Kleingarten haben möchten, haben sich schon lange dazu entschlossen und standen teilweise auch vor der Pandemie auf Wartelisten. Kaum jemand gibt aber so rasch seine Parzelle wieder her. Wir haben in unseren Vereinen immer einen Querschnitt aus der ganzen Gesellschaft. Und das finden wir auch sehr gut so.

Aber mit diesem Querschnitt gibt es vermutlich auch einen Querschnitt an Problemen.

Guderian: Absolut. Nachbarschaftsstreitereien sind wirklich nichts Schönes – und für alle Beteiligten anstrengend. Ich habe ein wenig den Eindruck, dass das „Wir“ in den Vereinen droht, verloren zu gehen. Eine gute Kommunikation innerhalb der Vereine hilft, dass sich alle an die Einhaltung der Regeln der Kleingartenordnung der Stadt halten.

Die Kleingartenordnung sollte auch kürzlich erneuert werden?

Guderian: Stimmt, die vom Gartenamt unter unserer Mitwirkung erarbeitete Versionen wurde dann in die Hierarchie der Stadtverwaltung gegeben. Das war im Frühjahr 2019.

Und was ist daraus geworden?

Guderian: Seither haben wir nichts mehr davon gehört – sie ist in den Untiefen der Verwaltung verschwunden, obwohl die Zusammenarbeit mit dem Gartenamt wirklich sehr konstruktiv war. Aber wir warten darauf, dass sie kommt. Bei einem Kennenlernen mit dem neuen Dezernenten Jochen Kral haben wir es angesprochen, er will sich zumindest danach erkundigen.

Hängt da auch noch mehr dran?

Guderian: Wir wollen auch die Wertermittlungsrichtlinien erneuern. Die letzte Version ist von 2011. Natürlich haben wir schon was vorbereitet, aber abschließen können wir erst, wenn wir die neue Ordnung vorliegen haben, sonst müssten wir manche Arbeit doppelt machen. Daher warten wir noch ab.

Das klingt nach einem gemischten Verhältnis zur Stadt.

Guderian: Die Zusammenarbeit mit dem Gartenamt klappt in der Regel gut. Für die vielfältigen, fachlich und zeitlich umfangreichen Aufgaben könnte das Gartenamt – nach meiner Meinung – personell umfangreicher ausgestattet sein. Nimmt man beispielsweise nur einmal die „Begehung“ einer Anlage (Überprüfung Einhaltung der Kleingartenordnung): Das bedeutet für den Mitarbeiter des Gartenamtes mindestens einen Tag außer Haus, an einem weiteren Tag Berichte über jeden Garten schreiben, Fotos auswerten, alle Einzelberichte in einen zusammenführen und diesen dann mit Fristsetzung über uns an die Vereinsvorstände zu senden. Innerhalb der Frist die Rückläufe prüfen, um dann in einem weiteren Ortstermin die Umsetzung zu prüfen. Und das für knapp 100 Kleingartenanlagen.

Gibt es noch mehr Probleme?

Guderian: Die Grundsteuerreform fordert uns gerade sehr, so dürfte es aber vielen gehen. Hier ist zwar die Stadt, namentlich das Gartenamt, in der Pflicht die geforderten Daten zu melden, die einzelnen Pächter sind jedoch zur Mitwirkung verpflichtet. Deshalb hat Nicole Mersch kürzlich die Briefe für die Selbstauskünfte vorbereitet – also über 6500, für alle Parzellen. Mittlerweile sind fast alle zurückgekommen und auch schon an die Stadt weitergeleitet worden.

Und das ist vermutlich nicht das Einzige, was ansteht.

Guderian: Seit rund drei Jahren wird das Rettungswegeleitsystem für Kleingartenanlagen vorbereitet. Vier weitere Jahre hat die Stadt für die Umsetzung eingeplant, aber ich glaube nicht, dass das ausreichen wird.

Um was geht es dabei?

Guderian: Rettungskräfte haben bei solchen Anlagen immer ein Problem mit der Orientierung. Deshalb sollen die Parzellen einheitlich nummeriert, beschildert, sichtbar ausgeschrieben und online kartiert werden. Das ist aber alles nicht so einfach umzusetzen. Vielleicht eine Handvoll Vereine hat das bislang tatsächlich umsetzen können, in nächster Zeit sollten aber noch ein paar dazu kommen.