Tierschutzprojekt in Düsseldorf „Die Tauben sind unseren Einsatz wert“

Düsseldorf · Sie haben vor allem in den Großstädten nicht viele Fans: Stadttauben. In Bilk kümmert sich jetzt ein Nachbarschaftsprojekt um die Tiere.

Taubenfütterung an der Bachstraße: Katherina Hensel verteilt artgerechtes Futter, das die Gruppe aus eigener Tasche bezahlt.

Foto: Marc Ingel

Tauben haben keinen guten Ruf. „Ratten der Lüfte“ nennt man sie, sie übertragen Krankheiten, so heißt es. „Dabei sind Rotkehlchen viel schlimmer“, sagt Silke von Müller zu diesem Vorurteil. Die Bilkerin hatte ein Schlüsselerlebnis, als sie ein offensichtlich krankes Tier an der Unterführung Bachstraße ignorierte, das dann verendete. Sie machte sich schlau, wendete sich an das Tierheim, knüpfte Kontakte zu Nachbaren, denen es ganz ähnlich erging, die das Elend der Tauben, die vielen Kadaver an diesem Ort nicht mehr mit ansehen konnten. Denn: „Stadttauben sind verwilderte Haustiere, die durch ihre Domestizierung die ursprüngliche Nahrungssuche verlernt haben und stattdessen die Essensreste von Menschen auf der Straße aufnehmen“, hat von Müller gelernt. Alles andere als artgerecht natürlich.

So entstand das „Pilotprojekt Bachstraße“. Denn statt nur zu meckern, schritten die Tierfreunde im wahrsten Sinne des Wortes zur Tat. In Kooperation mit dem Tierheim und in Absprache mit dem Veterinäramt machte die neunköpfige Gruppe Ehrenamtlicher einen Deal: „Wir dürfen die Tauben mit artgerechtem Futter versorgen und gleichzeitig die Eier gegen Attrappen aus Kunststoff austauschen, um so die Population zu begrenzen. Außerdem bringen wir kranke Vögel zum Tierheim“, erklärt von Müller. Alles aus eigener Tasche finanziert, versteht sich. Und man muss aufpassen, nicht zu viel zu füttern, „sonst kommen die Ratten“.

Freiwillige Helfer zählen
bereits deutlich weniger Tiere

187 Eier haben die Teilnehmer des Projekts seit März schon ausgetauscht, und das ist alles andere als ein einfacher Job. Denn einst gab es an der Brücke einen Taubenschlag, die beste aller Möglichkeiten, um Einfluss auf die Zahl der Tiere nehmen zu können. Der musste aber weichen, als die Bahn begann, den Bahnhof Bilk auszubauen. Tauben sind jedoch sehr standorttreu, sie kamen also weiterhin zu der Unterführung und brüteten unter Brückenstreben. Und so müssen die Freiwilligen aus Bilk jedes Mal – und das tun sie inzwischen immer sonntags – mit der Leiter und im Schutzanzug in die Höhe und unter den Stahlträgern über die dort installierten Spikes hinwegklettern, um die mühselige Arbeit zu erledigen. Aber das zahlt sich aus. „Es sind schon deutlich weniger Tiere geworden, vielleicht 90 statt 120. Und seitdem haben wir keinen einzigen toten Vogel mehr gesehen“, berichtet Dominik Gholami-Bajestani.

Das Engagement blieb in Bilk natürlich nicht unbemerkt, viele Passanten hielten an und fragten, was die Taubenfreunde denn da machten. Dabei wurde deutlich: „Es fehlt an Aufklärung. Tauben haben einfach ein schlechtes Image, viele kennen aber nicht die Hintergründe“, sagt Gholami-Bajestani. Diese Erfahrung machte auch von Müllers Sohn Simon, der in Sachkunde ein Referat über Tauben in der Schule hielt. „Auch der Lehrer war überrascht und räumte ein, dazugelernt zu haben“, erzählt die Mutter. Dass Stadt und Bahn sich schwer damit tun, auf der Brücke erneut einen Taubenschlag zu platzieren, kann Silke von Müller nicht so recht nach vollziehen: „Platz wäre genug, man muss es nur wollen.“

Tauben, da sind sich die Projekt-Teilnehmer in Bilk einig, sind jedenfalls sehr liebevolle Tiere, monogam obendrein, „ein Pärchen bleibt ein Leben lang zusammen“, weiß Dominik Gholami-Bajestani. Kranke Vögel können auch jederzeit im Tierheim im Rahmen der Öffnungszeiten (vielleicht in einem Pappkarton) abgegeben werden, das sollten die Menschen wissen. Und noch etwas ist in diesem Zusammenhang erwähnenswert: Im Gegensatz zu den Stadttauben kann die Ringeltaube (deutlich größer, weißer „Ring“ am Hals, gelber Schnabel) autark leben. Sie brütet auf Bäumen, meidet ohnehin die Stadt und ernährt sich noch von Süßgräsern. Für die Stadttauben und deren Elend, dafür ist ganz allein der Mensch verantwortlich.