Frau Wegner, können Sie uns zu Beginn einen kurzen Überblick über das Projekt der Verbraucherzentrale geben?
Düsseldorfer Expertin Andrea Wegner Wie Klimaanpassung im Privaten gelingt
Interview | Düsseldorf · Die Expertin der Verbraucherzentrale über die richtige Wandbegrünung und Tipps für Mieter
Mit dem Projekt „Mehr Grün am Haus“ bietet die Verbraucherzentrale NRW ein Beratungsangebot rund um die Begrünung von Immobilien, Vorgartengestaltung und einiges mehr. Fachreferentin und Biologin Andrea Wegner gibt Einblick in das umfassende Themenspektrum und Tipps, worauf man achten kann.
Andrea Wegner: „Mehr Grün am Haus“ gibt es seit 2021 und soll Endverbraucher für das Thema Klimaanpassung durch Begrünung sensibilisieren. Der Fokus liegt auf Dach- und Fassadenbegrünung, wir greifen die Vor- und Nachteile auf und zeigen, welche Möglichkeiten es gibt. Die Menschen sollen so eine unabhängige Entscheidungshilfe erhalten, was an ihrem Haus tatsächlich sinnvoll umzusetzen sein kann.
Welche Beratungsangebote gibt es?
Wegner: Einerseits bieten wir viele Informationen auf unserer Internetpräsenz an, andererseits gibt es Online-Seminare, in denen natürlich auch Fragen gestellt werden können. Seit Anfang Juli haben wir außerdem ein Beratungstelefon eingerichtet, an dem wir Einzelberatung rund um das Thema Dachbegrünung anbieten. Das kann in Zukunft noch auf weitere Themen ausgeweitet werden.
Der Fokus liegt ja nicht nur auf Dach- und Fassadenbegrünung, sondern auch auf der Vorgartenbegrünung. Welche Rolle spielt diese denn bei der Klimaanpassung?
Wegner: Durch eine gute Auswahl an Bäumen und Sträuchern kann sehr einfach das Mikroklima rund ums Haus positiv gestaltet werden. Es gibt so mehr Schatten, eine kühlere Umgebung und mit Bodendeckern und auch der Begrünung von Pflasterfugen kann der natürliche Wasserkreislauf teilweise wieder hergestellt werden. Dadurch kann Wasser versickern und verdunsten. Auch das ist wichtig für ein besseres Mikroklima.
Ist es dabei eigentlich egal, welche Pflanzen ich wähle?
Wegner: Wir haben eine Pflanzliste erstellt mit Arten, die besonders gut mit den klimatischen Verhältnissen zurechtkommen und dennoch regional in NRW vertreten sind. Unter anderem also auch mit viel Trockenheit.
Trennt man dabei beispielsweise zwischen Stadt und Land?
Wegner: Die Trennung erfolgt mehr nach Regionen und da auch erneut nach klimatischen Verhältnissen. Es gibt zwar Unterschiede durch die Bebauung und den Grad der Versiegelung zwischen Stadt und Land. Allgemein liegt unser Fokus darauf, heimische Pflanzen zu empfehlen.
Gibt es da auch Grenzen an die man stößt?
Wegner: Tatsächlich gibt es nur sehr wenige einheimische Pflanzen, die überhaupt für die Fassadenbegrünung in Frage kommen. Was ich aber immer gerne empfehle ist der Efeu.
Was macht ihn so besonders?
Wegner: Es handelt sich dabei um eine heimische Pflanze. Viele Menschen möchten gerne etwas Immergrünes, außerdem ist der Efeu sehr gut für die Insekten- und Vogelwelt sowohl als Nahrungs- als auch als Brutort. Durch den dichten Wuchs schützt er die Fassade vor Witterungseinflüssen. Fassadenbegrünung kühlt nicht nur im Sommer, sondern dämmt auch im Winter.
Das klingt nach einer einfachen Entscheidung für eine solche Begrünung. Wo sind die Einschränkungen?
Wegner: Es funktioniert nicht an jeder Wand. Nur absolut intakte Mauern ohne Risse sollten ausgewählt werden. Daneben dauert es, bis die Pflanzen gewachsen sind. Efeu beispielsweise wird aber mehrere Jahrzehnte alt und wächst bis zu anderthalb Meter pro Jahr. Entsprechend muss er intensiv zurückgeschnitten werden, er darf nicht auf das Dach gelangen oder die Regenrinne überwuchern. Das kann zu starken Schäden führen. Zudem sollten es massive, nicht gedämmte Wände sein. Gerade Selbstkletterer wie Efeu oder Wilder Wein entwickeln hohe Gewichte und können die Wärmedämmung abreissen.
Eine Fassadenbegrünung ist also eher etwas Langfristiges?
Wegner: Darauf weisen wir die Menschen immer hin: Die Entscheidung für eine Begrünung ist auf eine lange Dauer angelegt. Man sollte sich bewusst sein, dass es gerade im Alter zu Folgekosten kommen kann, etwa wenn man für den Rückschnitt externe Unternehmen beauftragen muss. Bei Selbstkletterern bleiben bei einer Entfernung immer Rückstände an der Wand zurück – die schaden nicht, sind aber eine ästhetische Frage, sodass gegebenenfalls neu verputzt werden müsste.
Wie sieht es mit den Kosten aus?
Wegner: Wir beraten vorwiegend zu einer bodengebundenen Fassadenbegrünung. Die ist meist einfacher umzusetzen und kostengünstiger. Es gibt auch wandgebundene Begrünung. Die kennt man etwa vom Kö-Bogen II mit dem Regalsystem oder der Vodafone-Werbewand an der Graf-Adolf-Straße. Die Systeme dahinter sind aber sehr aufwendig und sehr kostenintensiv, denn es muss mit zusätzlichen Nährstoffen künstlich bewässert werden. Die Anlage ist mit Sensoren ausgestattet, um computergesteuert automatisch ablaufen zu können. Für Privathaushalte ist das meist keine Option.
Und bei der bodengebundenen Begrünung, gibt es da konkrete Summen?
Wegner: Das kann sehr günstig sein, wenn man direkt in die Erde pflanzen kann. Dann braucht es ja nur die Pflanze für einen geringen zweistelligen Betrag. Mit Gerüst können die Kosten aber auch stark steigen auf um die 150 Euro pro Quadratmeter.
Wie ist es bei Dachbegrünung?
Wegner: Die wird vermutlich deutlich teurer. Bei Dachbegrünung muss häufig ein Unternehmen beauftragt werden, die Statik muss überprüft werden. So ist man leicht bei 100 bis 200 Euro pro Quadratmeter. Garagen- oder Carportdächer sind da etwas leichter und kostengünstiger zu begrünen, aber auch da kommt es auf die Höhe der Substratschicht, die Pflanzenarten und einiges mehr an. Man sollte aber dann mit mindestens 50 Euro pro Quadratmeter rechnen. Aber in beiden Fällen kommt es natürlich auf die individuellen Vorstellungen und Wünsche, aber auch die jeweiligen Gegebenheiten an. Dachbegrünung geht übrigens auch in Kombination mit Solaranlagen. Gemeinsam haben sie vor allem für die Biodiversität große Vorteile, da hierdurch andere Bedingungen durch Verschattung für unterschiedliche Pflanzen und damit Insekten- und Vogelarten geschaffen werden.
Viel an Begrünung scheint vor allem für Eigenheimbesitzer möglich zu sein. Haben Mieter auch Optionen?
Wegner: Wir arbeiten gerade an einer Rubrik für Mieter auf unserer Homepage. Vor allem muss es da eine Absprache mit dem Vermieter geben, aber neben einer intensiven Balkonbegrünung könnte man auch auf einjährige Rankpflanzen setzen. Auch Vorschläge für eine Begrünung beim Vermieter wären eine Option, gerne mit dem Angebot, sich darum zu kümmern.
Gilt hier eigentlich das Motto „Auch wenig macht einen großen Unterschied“?
Wegner: An sich ist jedes Grün begrüßenswert. Aber richtig funktionieren kann es nur, wenn mehrere Varianten ineinander greifen, damit Insekten und Vögel nicht nur kurz vorbeischauen, sondern genug Nahrung, Schutz und Brutplätze finden, um sich dauerhaft
niederzulassen.