Frau Cordes und Herr Schulz, keine Partei hat in Düsseldorf bei der Europawahl so viele Stimmen verloren wie die Grünen. Für den Bau der Oper und bezahlbaren Wohnraum hat sich ihr Kooperationspartner jetzt mit SPD und FDP zusammengetan, der Ausbau von Fahrradwegen verzögert sich deutlich. Es läuft nicht gut für die Grünen gerade, oder?
Düsseldorfer Grüne auf Distanz zum „Besserwissermodus“ „Wir haben uns ein höheres Tempo gewünscht“
Interview | Düsseldorf · Die neue grüne Doppelspitze räumt Versäumnisse beim Radwegeausbau ein und hält die Hintertür beim Thema Oper offen.
Mirja Cordes und Frank Schulz bilden die neue Doppelspitze der Ratsfraktion der Grünen. Wir treffen die beiden in der im Innenhof des Rathauses gelegenen Geschäftsstelle.
Mirja Cordes: Das Ergebnis der Wahl hat uns natürlich nicht erfreut, man kann das auch nicht schönreden. Hinzu kommt, dass wir nicht mehr wie beim tollen Ergebnis bei der Europawahl 2019 als Teil der Bewegung wahrgenommen werden. Mir gibt zum Beispiel sehr zu denken, dass wir so viele Wähler ins Lager der Nichtwähler verloren haben. Aber wir sind dennoch weiterhin mit deutlichem Abstand zweitstärkste Kraft in der Stadt. Wir sind als Grüne leidgeprüft, grüne Themen kommen mal gut und mal weniger gut an, dadurch werden die Themen der Klimakrise nicht weniger wichtig. Und unsere Entscheidung gegen einen Opernneubau zu diesem Zeitpunkt kam auch nicht überraschend und das Thema ist auch nicht Teil der Kooperationsvereinbarung mit der CDU.
Frank Schulz: Zudem ist es uns auch gelungen, Mehrheiten jenseits der Kooperation mit der CDU zu bilden, um Themen voranzubringen. Das gilt etwa für die Soziale Erhaltungssatzung beim Wohnen oder ein ganzheitliches Konzept für die Altstadt. Bei der Oper sind wir immer sehr stabil geblieben, wir haben gegen den Standort Hofgarten und den Zeitpunkt argumentiert. Uns fehlte ein schlüssiges inhaltliches sowie finanzielles Konzept. Traurig fand ich, mit welcher Vehemenz gegen uns argumentiert wurde, während es jetzt einen anderen Standort gibt und mit der Musikschule schon eine weitere Nutzung. Das reicht aber noch nicht.
Aber Sie haben an Gestaltungsmacht verloren, jetzt mischt die SPD aus der Oppositionsrolle mit.
Schulz: Das sehe ich nicht so. Wir gestalten immer noch mit. Der Druck für einen neuen Standort kam jedenfalls nicht von der SPD. Im Ergebnis hat der Oberbürgermeister aber dennoch für das Grundstück am Wehrhahn verhandelt. Und in der Wohnungspolitik haben wir das Baulandmodell und auch die neue Förderung mit einem gemeinsamen Antrag mit der CDU auf den Weg gebracht, auch wenn wir am Ende gerne einen anderen Schwerpunkt gesetzt hätten. Ich fühle mich nicht am Spielfeldrand.
Fehlt noch Ihre Verteidigung zu dem sehr schleppenden Ausbau der Radwege.
Cordes: Damit können wir nicht zufrieden sein, wir haben uns da ein höheres Tempo gewünscht. Wir wollen bessere Voraussetzungen schaffen, damit Leute aufs Rad steigen. Da ist viel Luft nach oben. Andererseits haben wir uns auch viel vorgenommen. Und wir haben die Struktur verändert, wonach Großprojekte wie die Radleitrouten jetzt von der Stadttochter IPM durchgeführt werden. Diese Umstellung war komplexer als gedacht, aber ich bin überzeugt, dass wir da jetzt einen Schritt weiter sind. Die neuen Radleitrouten werden kommen und es wird in den nächsten Monaten auch wichtige Lückenschlüsse zwischen Radwegen geben.
Warum der Wechsel an der Fraktionsspitze ein Jahr vor der Kommunalwahl?
Cordes: Der war schon länger geplant und für diesen Zeitpunkt vorbereitet.
Schulz: Das ist für uns ein günstiger Zeitpunkt, sich schon vor der Wahl einzuarbeiten, die Themen für den Wahlkampf zu begleiten und dann auch weiterzuentwickeln.
Welche Aufgabenteilung schwebt Ihnen vor?
Schulz: Inhaltlich liegen die Schwerpunkte von Mirja Cordes wie auch aus der Ausschussbesetzung ableitbar bei der Mobilität und bei mir bei Wohnen und Stadtplanung. Wir finden das Prinzip der Doppelspitze aber auch gut, weil das die Arbeitsbelastung für jeden etwas runterschraubt.
Wie viel mehr Arbeit ist es denn?
Cordes: Wir sitzen nun in mehr Runden, etwa im Ältestenrat mit dem Oberbürgermeister und anderen Fraktionsspitzen. Auch insgesamt werden wir stärker eingebunden sein, etwa für die Abstimmung mit der Fraktion, aber auch den Bezirksvertretungen und der Grünen-Basis.
Was wollen Sie besser machen als Ihre Vorgänger?
Schulz: Wir sind sehr dankbar für das, was unsere Vorgänger Angela Hebeler und Norbert Czerwinski geleistet haben, das sind große Fußstapfen. Wir wollen und müssen gar nicht alles neu und besser machen, sondern eher bestimmte Dinge verstetigen und unsere große Fraktion als engagiertes Team zusammenhalten. Vielleicht ergeben sich durch den Wechsel auch neue Zugänge, durch andere Netzwerke, die wir mitbringen, bei mir etwa zur Wohnungswirtschaft.
Was haben Sie bis zur Kommunalwahl noch konkret vor?
Cordes: Wir wollen auf mehr Tempo beim Radwegebau achten und noch einige Projekte auf die Straße bringen. Gut läuft der Ausbau der Mobilitätsstationen, da können wir auch noch draufsatteln. Und wir müssen weiter auf das Ziel Klimaneutralität 2035 hinarbeiten.
Schulz: Es gilt zudem, am Stadtentwicklungskonzept Raumwerk D weiterzuarbeiten und es konkret in den Stadtteilen anzuwenden. Ganzheitliche Ansätze gibt es bislang nur in Garath und Rath. Wir wollen ein solches integriertes Konzept jetzt auch für die Altstadt entwickeln und den Blick über Kriminalität und Gewalt hinaus weiten. Auch für Hellerhof, den einzigen schrumpfenden Stadtteil in Düsseldorf, sollten wir das tun.
Cordes: Es geht auch ganz konkret darum, die Frage zu beantworten, was ein solches Wohnquartier bieten sollte – an Versorgung, aber etwa auch an Treffpunkten.
Was hält sie eigentlich noch mit Ihrem Kooperationspartner CDU zusammen? Eine echte gemeinsame Initiative war jetzt nicht herauszuhören und die gab es in diesem Jahr auch noch nicht, oder?
Schulz: Besondere Aufmerksamkeit erregt immer dann etwas, wenn wir nicht einer Meinung mit der CDU sind. Wir arbeiten aber an vielen Stellen gut zusammen, ob es um Bauleitplanung geht oder auch das Parkraummanagement-Konzept. Auch beim neuen Förderprogramm für den Wohnungsbau sind wir weitgehend einer Meinung und lagen gar nicht so weit auseinander. Wir haben 60 Millionen Euro jährlich für den Klimatopf bereitgestellt, Qualitätsstandards fürs Bauen entwickelt und in den Bereichen Sport und Schule gibt es wenig Dissens. Insgesamt haben wir eine gute Arbeitsbasis.
Ist Schwarz-Grün ein Zukunftsprojekt über die Wahl 2025 hinaus?
Schulz: Ich würde mich nicht dagegen sträuben. Es ist unsere erste Kooperation. Man lernt sich in so einer Phase ja erstmal kennen. Und das ein oder andere ließe sich verstetigen.
Cordes: Es ist gelebte Demokratie, dass wir uns zum Teil nicht einig sind. Es ist dann die Aufgabe der demokratischen Parteien, gemeinsame Lösungen zu finden, auch wo man es so nicht erwartet hätte.
Aber wie soll es angesichts der Uneinigkeit bei der zentralen Opernfrage noch gehen mit der CDU? In einer Kooperation sollen doch die haushaltsrelevanten Fragen gemeinsam beschlossen werden.
Cordes: Ich gehe auch gerne in die Oper. Aber sie sollte nicht den Stellenwert haben, dass dieses Projekt alle anderen bestimmt. Es gibt sehr viele relevante andere Themen für die Menschen in dieser Stadt, die die Politik anpacken und gestaltet muss.
Schulz: Unsere Kritik bei der Oper bezieht sich ja vor allem darauf, dass es noch kein schlüssiges Finanzierungskonzept gibt. Aber wir nähern uns ja jetzt Stück für Stück dem, was wir immer schon angemahnt haben. Als nächstes müssen Prioritäten und Zeitschienen bestimmt werden, wie die Oper neben weiteren Neubauten wie Theodor-Heuss-Brücke und Technisches Rathaus umsetzbar sein soll. Und das wäre auch eine Grundlage für eine Verhandlung. Wir haben ja nie komplett nein gesagt.
Cordes: Auch ein überzeugendes inhaltliches Konzept fehlt noch: Was soll neben der Musikschule möglich sein? Also etwa Gastronomie oder auch Treffpunkte, an denen nicht konsumiert werden muss.
Wer wäre denn Ihr Lieblingskooperationspartner nach 2025?
Cordes: Im Moment müssen wir abwarten, was rechnerisch überhaupt möglich ist, und das ist wahrer als jemals zuvor. Und dann ist es der Kern von Demokratie, dass man sich zusammensetzt und schaut, wo man am ehesten auf einen Nenner kommt.
Schulz: Das kann letztlich mit allen demokratischen Parteien der Fall sein. Es ist nicht so eindeutig, wo die Schnittmengen am größten ist.
Wenn die Grünen die absolute Mehrheit bekämen, welche Entscheidung würden Sie sofort treffen?
Cordes: Ich würde noch offensiver den öffentlichen Raum anders gestalten und mehr Aufenthaltsqualität schaffen. Dabei geht es nicht nur um den Abbau von Parkplätzen.
Die Europawahl hat gezeigt, dass die Grünen sich insbesondere bei älteren Wählern über 45 Jahre in Düsseldorf schwertun. Woran liegt das und was leiten Sie daraus ab?
Schulz: Es geht um Kommunikation. Wir müssen die unterschiedlichen Zielgruppen ansprechen und die Relevanz unserer Themen für sie erklären. Uns wählen eher Menschen, die Veränderungen in Kauf nehmen. Viele haben aber Angst vor der Veränderung. Wir sollten anhand von guten Beispielen zeigen, dass es nicht ums Verbieten und Wegnehmen geht, sondern um Verbesserungen.
Cordes: Die Luegallee ist dafür ein sehr gutes Beispiel. So groß die Sorgen vor dem Umbau waren, finden ihn jetzt doch die allermeisten gut. Wir Grüne müssen nach wie vor mit dem Image der Verbotspartei kämpfen. Umso wichtiger ist es, nicht im Besserwissermodus unterwegs zu sein.
Vor allem Grünen-Politiker sind zuletzt immer wieder attackiert worden, auch ein Helfer beim Aufhängen von Plakaten in Düsseldorf. Wie sind Ihre Erfahrungen?
Schulz: Mir ist am Wahlstand auch schon gesagt worden: Lieber hacke ich mir die Hände ab, als euch zu wählen. Das Aggressions-Potenzial ist gestiegen.
Cordes: Das kann ich nur bestätigen. Jetzt sind wir als Teil von Regierungen in NRW und Bund leichter zum Ziel geworden.