Großprojekt in Düsseldorf „Es sollte ein Haus für alle Bevölkerungsschichten werden“

Interview | Düsseldorf · Zwei Studentinnen der Robert-Schumann-Hochschule erläutern ihre Sichtweise auf den Neubau der Oper.

Sita Grabbe (l.) und Pauline Asmuth (r.) sind angehende Opernsängerinnen und hoffen, dass sich mit dem Neubau die Oper für alle Bevölkerungsschichten öffnen wird.

Foto: Döring, Olaf (od)

Sita Grabbe und Pauline Asmuth studieren klassischen Gesang in der Opernklasse der Robert-Schumann-Hochschule. Beide haben ihr Studium aus Leidenschaft für die Musik gewählt. Im Interview erzählen sie, wie sie auf den beschlossenen Opernneubau blicken. Und was die neue Oper braucht, um wieder mehr junge Menschen in die Vorstellungen locken zu können.

Frau Asmuth, Frau Grabbe, wo hatten sie beide ihr bislang schönstes Konzerterlebnis?

Sita Grabbe: Das war 2018 mit der Kinderoper Köln im Staatenhaus. Ich habe einen der Brüder aus „Pollicino“ von Hans Werner Henze gesungen. Da bin ich zum ersten Mal mit dem Opernbetrieb in Kontakt gekommen und habe gemerkt, dass ich das unbedingt studieren möchte.

Pauline Asmuth: Für mich ist das schwieriger, weil ich schon so viele schöne Erlebnisse hatte. Die Kooperationen im Studium mit den Opern Düsseldorf und Duisburg haben mir jedenfalls gut gefallen.

Träumt man zu Beginn der eigenen Karriere davon, selber einmal in einem großen Haus und vor viel Publikum aufzutreten?

Grabbe: Ich fühle mich wohl auf der Bühne und habe kein Problem damit, mich vor Zuschauern zu präsentieren. Für mich war das aber nicht ausschlaggebend. Sondern eher der Spaß am Singen und Schauspielern. Das ist eine Passion, die man schwer erklären kann. Der Beruf einer Sängerin beinhaltet so viel mehr Facetten, als nur auf der Bühne zu stehen.

Asmuth: Bei mir war es ganz ähnlich. Mir ging es nicht um ein Millionenpublikum. Eher hat mich das Musiktheater als Kunstform interessiert, weil dort so viel zusammenkommt. Denn gerade bei einer Oper müssen Bühnenbildner, Kostümschneider, Musiker und Tänzer eng miteinander zusammenarbeiten. Dieser künstlerische Austausch zwischen verschiedenen Disziplinen ist einzigartig. Alle versuchen, zusammen etwas auf die Beine zu stellen, was am Ende hoffentlich eine Wirkung auf das Publikum entfaltet.

Der Neubau der Oper hat für reichlich Kontroversen in der Stadtgesellschaft gesorgt. War die Debatte auch bei euch an der Hochschule ein Thema?

Asmuth: Ein wenig, da es hier auch viele Studierende gibt, die nebenbei an der Oper arbeiten. Aber da es so lange keine Entscheidung gab und wir auch kein direktes Mitstimmrecht hatten, war das Thema nicht so präsent.

Grabbe: Ich musste als Allererstes an Köln denken, wo ich aufgewachsen bin. Bei der Sanierung der dortigen Oper ist einfach so viel schief gegangen. Hoffentlich wiederholt sich das nicht.

Gerade beim jüngeren Publikum sinkt das Interesse an Theater und Oper, wie Statistiken zeigen. Warum ist das so?

Asmuth: Ich persönlich liebe die Oper. In meiner Generation hat sie jedoch ein verstaubtes Image. Zwar gibt es bereits tolle Initiativen wie die Kinderoper, die beispielsweise auch in Kindergärten geht. Was aber fehlt, ist der Schritt dazwischen. Ich gebe auch Unterricht und merke dabei häufig, dass klassischer Gesang für 13- bis 18-Jährige total ungewohnt ist. Wenn ich dann also meine Opernstimme auspacke und ohne Mikrofon singe, sind die erst einmal begeistert.

Grabbe: Viele meiner Freunde wollen gar nicht in die Oper gehen. Das sei zu elitär und verstaubt, heißt es dann. Man fühlt sich dort als junger Mensch einfach nicht abgeholt.

Wie muss sich die Oper
verändern, um wieder mehr junge Menschen begeistern zu können?

Grabbe: Das ist ein viel diskutiertes Thema. Meiner Meinung nach braucht es vor allem Diversität in den Inszenierungen. Viele junge Menschen haben nicht das Gefühl, sich mit den Dingen auf der Bühne identifizieren zu können. Gesellschaftliche Minderheiten sind zum Beispiel unterrepräsentiert, dazu kommen vielleicht noch Sprach- und Verständnisbarrieren. Man sollte eine Oper so inszenieren, dass es jeden abholen kann.

Asmuth: Eine moderne Oper muss auch Gelegenheit zum Austausch bieten. Auf künstlerischer Ebene wie auch mit dem Publikum. Die Oper sollte nicht mehr nur reines Entertainment sein, sondern auch Anreize bieten, etwa über die Gesellschaft nachzudenken. Hier geht es also um die Frage, inwieweit Oper sich mit einem Aktualitätsbezug auseinandersetzen soll oder will. Wie politisch die Aufführung am Ende werden soll, ist natürlich aber Geschmackssache.

Was sollten die Erbauer der neuen Oper also unbedingt mitbedenken?

Grabbe: Wenn so viel Geld für ein Bauvorhaben ausgegeben wird, sollte Nachhaltigkeit beim Bau eine zentrale Rolle spielen. Zudem sollte man nicht darauf beharren, dass dort nur Opern gezeigt werden können. Dafür braucht es eine Technik, die unterschiedliche Kunstformen realisieren kann.

Asmuth: Auf jeden Fall sollte es Räume zum Austausch geben. Zum Beispiel ein offenes Foyer mit einem Café oder einem Biergarten zum Hofgarten hinaus. In Bochum treffen sich die jungen Leute zum Beispiel gerne auf dem großen Vorplatz, auch das Schauspielhaus ist ein gutes Beispiel. Kleinigkeiten wie in Teilen geschlechterneutrale Toiletten könnten das Gebäude nahbarer für einige Menschen machen. Man sollte jedenfalls nicht das Gefühl haben, man betritt ein Museum, sondern sich frei bewegen können. Ich würde mir Orte in und um die Oper herum wünschen, die man nicht nur im Abendkleid, sondern auch in Jeans betreten darf.

Aktuell werden die Gesamtkosten auf 750 Millionen Euro oder sogar noch höher geschätzt. Wie bewertet ihr diese Zahlen?

Grabbe: Selbstverständlich benötigt ein solches Vorhaben große Investitionen. Aber gerade in diesen Zeiten klingen die Kosten schon realitätsfern. Vielleicht sollte man überlegen, einen Teil davon in musikalische und künstlerische Bildungsarbeit zu stecken, um auch Jugendliche wieder an die Oper heranzuführen.

Asmuth: Ich würde sagen, hier kommt es auf das Preis-Leistungs-Verhältnis an. Wenn wieder nur ein kleiner Teil von Menschen das Gebäude nutzen wird, weil es nicht barrierefrei oder die Karten zu teuer sind, ist es schlecht angelegt. Aber wenn es klimaneutral, bildungsgerecht und der Öffentlichkeit zugänglich gebaut wird, ist es vielleicht gut investiert. Es muss also ein Gebäude werden, welches alle Bevölkerungsschichten nutzen können. Dann würde ich sagen: Nehmt das Geld, aber macht etwas Gutes daraus.

Generationengerechtigkeit ist ein häufiges Stichwort. Was wünscht ihr euch konkret von der neuen Oper?

Grabbe: Auch im künstlerischen Bereich gerät man manchmal mit Älteren in einen Clinch, wenn man bei einer Aufführung Dinge überdenken möchte. Das ist ja nichts Schlimmes. Wir sehen nur sehr viel mehr Potenzial in der neuen Oper, welches ausgeschöpft werden muss.

Asmuth: Wir sind ein kleiner Kreis, der eine krasse Leidenschaft für die Oper entwickelt hat. Wir stehen damit alleine in unserer Generation, wollen aber, dass davon alle profitieren können. Das gilt insbesondere für das neue Haus.