Beschlagnahmung von „Entarteter Kunst“ Corinth-Gemälde wieder im Kunstpalast

Düsseldorf · Vor 85 Jahren wurde das Gemälde als „entartete Kunst“ beschlagnahmt. Bis Besucher es sehen können, dauert es aber noch etwas.

Das Gemälde „Blumenstillleben mit Flieder und Anemonen“ war eines der letzten Werke des Künstlers Lovis Corinth.

Foto: Anne Orthen (orth)/Anne Orthen (ort)

Das Gemälde von Lovis Corinth (1858-1925), heißt „Blumenstillleben mit Flieder und Anemonen“ – und diese Blumen sind auch zu sehen. Die drei Vasen, die vor einem hellen Grund zu sehen sind, sind üppig gefüllt mit der Blütenpracht. Warum haben die Nationalsozialisten dieses Werk vor 85 Jahren als „entartete Kunst“ beschlagnahmt? Der politische Hintergrund, der den erneuten Erwerb durch die Stadt Düsseldorf so interessant macht, verbirgt sich nicht im Motiv.

Als im Juli und August 1937 in ganz Deutschland im Zuge der Aktion „Entartete Kunst“ über 20 000 Kunstwerke eingezogen wurden, um diese dann auszustellen, zum TeiI zu verkaufen oder zu vernichten, warum darunter einige Werke von Lovis Corinth. Das Blumenstillleben hatte zur Sammlung der Stadt Düsseldorf gehört. Nach der Beschlagnahmung wurde es 1939 vom Sammler Emil Bührle auf einer in Luzern veranstalteten Auktion ersteigert.

Auch welche Künstler unter die der „Entarteten Kunst“ fielen, das war nicht immer direkt ersichtlich. „Der Umgang mit dem Künstler Corinth wurde auch 1933 immer wieder diskutiert. Waren seine Werke zu Beginn noch impressionistisch geprägt, wandte er sich in seinen späteren Bildern immer mehr dem Expressionismus zu“, so Kathrin DuBois, kommissarische Leiterin der Gemäldegalerie. „Diese Wandlung schrieben die Nationalsozialisten dem Schlaganfall zu, den Corinth 1911 erlitt, auch wenn er davon kaum gesundheitliche Nachwirkungen behielt. Dass Corinth mit einer jüdischen Frau verheiratet war, spielte wohl aber auch mit in die Bewertung seiner Kunst.“

Das Gemälde von Corinth gehört jetzt wieder der Stadt Düsseldorf. Es wurde durch den Kunsthändler Marco Pesarese und mit der Unterstützung der Ernst-von-Siemens-Kunststiftung, des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen und der Kulturstiftung der Länder erworben.

Genaue Summen wurden nicht genannt, doch der Preis bewege sich „in der Größenordnung von rund 500 000 Euro“, so Generaldirektor Felix Krämer. Die Förderung des Landes Nordrhein-Westfalen betrage ein Fünftel des Preises. „Wir sind sehr glücklich darüber. Ich würde sagen, das ist einer der Höhepunkte meiner Zeit hier im Kunstpalast“, sagte Krämer.

26 Markierungen wie diese sind auf der Rückseite des Gemäldes zu sehen. Sie erzählen von seiner historischen Bedeutung.

Foto: dpa/David Young

Corinth war Lehrer von August Macke und Carlo Mense

Besucher müssen sich aber noch etwas gedulden, bis sie das Bild zu Gesicht bekommen. Aktuell ist die Sammlung des Kunstpalastes aufgrund von Bauarbeiten geschlossen. „Im Frühjahr 2023 wird das Werk dann aber endlich wieder einer breiten Öffentlichkeit zugänglich sein“, so Krämer.

Oberbürgermeister Stephan Keller betont die Bedeutung des Werkes für die Landeshauptstadt: „Die Geschichte diese Bildes und des Künstlers, der einen Monat vor seinem Tod Düsseldorf besucht hatte, sind eng mit dem Kunstpalast verbunden. Ich freue mich, dass es nun an den Ehrenhof zurückkehrt.“ Corinths Gemälde, das zu seinem Hauptwerken zählt, wurde bereits kurz nach seiner Fertigstellung vom damaligen Direktor Karl Koetschau für die Städtische Kunstsammlung erworben. Corinth war außerdem der Lehrer unter anderem von August Macke und Carlo Mense, Vertreter des Rheinischen Expressionismus. „Die Verbindungen zum Rheinland waren also auch vor der Beschlagnahmung schon immens“, so DuBois.

Isabel Pfeiffer-Poensgen, Kultur- und Wissenschaftsministerin des Landes Nordrhein-Westfalen, betonte bei der Präsentation am Montag die Bedeutung, die ein Werk mit solcher Geschichte auch noch heute hat: „Auch wenn man in der Geschichte nie Parallelen ziehen kann, dass das Bild wieder in Düsseldorf ist, erinnert auch an die Bedeutung von Kunst im gesellschaftlichen Kontext“, sagt sie. Die Rückkehr des Bildes schließe eine Lücke, nach 85 Jahren sei das ein großartiges Ereignis.

„Wir dürfen allerdings auch nicht vergessen, dass die Museen damals keine Opfer waren. Auch wenn es oft Trauer über den Verlust von Werken gab, viele Direktoren haben auch bei der Auswahl der zu beschlagnahmenden Werke geholfen“, sagt sie. Aus dem Kunstpalast wurden damals über 1000 Werke abtransportiert, nur in Berlin und im Essener Folkwang-Museum habe es mehr Beschlagnahmungen gegeben. Nach Kriegsende hätten die Alliierten auch nicht nachdrücklich versucht, die Werke wieder nach Deutschland zu bringen, sie seien der Ansicht gewesen, Deutschland habe sich selbst seines Kulturgutes beraubt. „Das Stillleben von Corinth sollte auch ein Anlass ein, sich erneut mit seiner Geschichte zu beschäftigen“, sagte sie.

Für die Betrachtung dieser ist vor allem die Rückseite des Gemäldes spannend. „Auch wenn es ein schönes und qualitätsvolles Bild ist, von besonderem Interesse ist seine Rückseite. Besonders wenn der Faschismus heute wieder sein Haupt hebt“, sagte auch Martin Hoernes, Generalsekretär der Ernst-von-Siemens-Kunststiftung. Auf der Rückseite finden sich 26 Markierungen und Notizen, die in Verbindung mit der Beschlagnahmung stehen. Mithilfe digitaler Mittel sollen auch diese für Besucher zu sehen sein. Mit dem Blumenstillleben sind nun sechs Werke von Corinth im Kunstpalast. Sie illustrierten seinen künstlerischen Werdegang und seien Entwicklung als Maler, so DuBois.