Ein Amtsrichter aus Leidenschaft geht
Dirk Kruse leitete gestern nach 39 Jahren seinen letzten Prozess. Jetzt will er Anwalt werden.
Gerichtsverhandlungen sind eine ernste Sache. Zwischenrufe, lautes Lachen oder andere Gefühlsausbrüche werden vom Richter konsequent gestoppt. Gestern war eine Ausnahme. Bei seinem letzten Prozess gab es für Amtsrichter Dirk Kruse Applaus von der Besucherbank, wo Kollegen, pensionierte Richter, aber auch Rechtsanwälte die Gelegenheit nutzten, sich von dem 67-Jährigen zu verabschieden. Nach 39 Jahren als Amtsrichter geht Kruse in den Ruhestand, den er eher als aufgezwungen empfindet.
„Es ist kein Geheimnis, dass ich gern weitergemacht hätte“, sagte der Jurist aus Leidenschaft. Zwei Jahre hatte er seine Dienstzeit schon auf Antrag verlängert, mehr ist nicht möglich. Doch Kruse kündigte bereits an, dass er dem Gericht erhalten bleiben wird: „Dann auf der anderen Seite. Als Rechtsanwalt.“
Mit seinen Entscheidungen hatte Kruse auch überregional für Aufsehen gesorgt. So stellte er Anfang der 90er Jahre alle Verfahren gegen Haschisch-Konsumenten ein. Damit wollte er erreichen, dass der Bundesgerichtshof eine Entscheidung trifft und diese Menschen nicht kriminalisiert werden. Doch geändert habe sich bis heute nichts. Immer noch landen Personen vor Gericht, die mit als 0,2 Gramm Cannabis angetroffen werden.
Spektakulär war auch sein Beschluss, in der „Büssow-Affäre“ das Parteibüro der Düsseldorfer SPD durchsuchen zu lassen. Der ehemalige Regierungspräsident Jürgen Büssow war auf einen Betrüger hereingefallen, der ihn als Wahlkampfhelfer unterstützt hatte. Als unklar blieb, wohin die Gelder aus der Beute geflossen sind, ließ Kruse Unterlagen aus dem Parteibüro beschlagnahmen.
In den vergangenen Jahren war es ruhiger geworden um den Amtsrichter, der sich auch mit Ordnungswidrigkeiten auseinander setzen musste. Beim ihm landete die Oma, die ihren alten Dackel nicht an der Leine geführt hatte. Oder auch der Pizzabäcker, in dessen Küche hinter dem Ofen Mäusekot gefunden wurde. Dabei interessierte sich der 67-Jähriger immer für den Menschen und drückte auch mal ein Auge zu, wenn er es für angemessen hielt. Das war für Kruse auch ein Grund, warum Amtsrichter immer sein Traumberuf war: „Ich kann völlig frei entscheiden.“