Ein eiskaltes Feuerwerk zu Weihnachten
Das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin unter Vladimir Jurowski spielte Tschaikowskys „Nussknacker“ in der Tonhalle.
Ein musikalischer Bilderbogen voller Fantasie, Raffinesse und Brillanz ist Peter Iljitsch Tschaikowskys „Nussknacker“. Die Ballettmusik über die romantische wie gespenstische Erzählung „Nussknacker und Mausekönig“ von E.T.A. Hoffmann illustriert die spukhafte Handlung mit schillernden Melodien, Harmonien und Orchesterfarben. Das virtuose Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin (RSB) brillierte mit dem weihnachtlichen Klassiker nun unter dem neuen Chefdirigenten Vladimir Jurowski in der Tonhalle.
Die komplette Nussknackermusik wird meistens als Ballettproduktion mit Tänzern aufgeführt. Im Konzertsaal erklingt oft auch nur die deutliche kürzere Ballett-Suite mit den Highlights des Werkes. Doch dieses Mal erlebten die Besucher das 90-minütige Opus konzertant in voller Länge. Und einmal mehr muss man Tschaikowsky das Kompliment machen, dass er den „Nussknacker“ so plastisch komponierte, dass sich die tollsten Choreografien vor dem geistigen Auge abspielen konnten.
Dem Orchester macht es der russische Romantiker derweil alles andere als leicht. Die einzelnen Parts sind sehr bravourös gestaltet, da muss jeder einzelne Musiker sein Instrument souverän beherrschen. Und da das RSB aus fabelhaften Instrumentalisten besteht, stand einer glanzvollen Aufführung nichts im Wege.
Allerdings ist Jurowski erst seit September im Amt. Der russische Dirigent war als Chef des London Philharmonic Orchestra schon mehrmals in der Tonhalle und erwies sich stets als dirigentisches Energiebündel. Jetzt scheint es, als müsse er mit den Berlinern emotional noch warm werden. Technische Schwierigkeiten gibt es zwar keine, doch wirkt die Zusammenarbeit auf den Beobachter noch etwas kühl. Jurowskis Zeichengebung erscheint sparsam. Er hält die Hände recht weit oben, so als wolle er mit Marionetten spielen. Die Berliner parieren professionell und temperamentvoll. Doch stellenweise fragt man sich ob der Mischung aus furiosem Spiel und Coolness, ob es so etwas wie ein kaltes Feuer geben kann. Da schlagen sozusagen orchestrale Flammen gegen die Decke, aber so richtig warm ums Herz wird es einem nicht.
Ja, das Berliner Rundfunkorchester spielt sehr „deutsch“. Russische, auch englische Klangkörper gehen mehr aus sich heraus. An sehr melodiösen und sehr gefühlsbetonten Stellen schauen sich die Musiker mit einem Lächeln an, als wolle man dem Affen nun ein wenig Zucker geben. Das schafft eine ironische Distanz, die zwar vor allzu großer Sentimentalität schützt, aber der Musik auch etwas von ihrem Zauber nimmt. Gleichwohl: eine beeindruckende, facettenreiche Aufführung, ein orchestrales Feuerwerk vom Feinsten, das mit großem Applaus im gut besuchten Saal gefeiert wurde.