Düsseldorf Ein Tag mit Miriam Koch: "Immer an der Seite der Flüchtlinge"
Konflikte lösen, Interviews, Smalltalk: Miriam Koch (48) ist im Dauereinsatz. Die WZ hat sie einen Tag lang begleitet.
Düsseldorf. Es ist kurz nach acht Uhr, als Miriam Koch ihren ersten Kaffee trinkt. Sie sitzt an einem der langen Tische im Versorgungszelt der Flüchtlingsunterkunft an der Itterstraße. Vor ihr die Reste ihres überschaubaren Frühstücks — Buttertoast mit Marmelade. Es war eine kurze Nacht. Das ist ihr anzusehen. Darauf angesprochen seufzt sie. „Ich war erst um 3 Uhr im Bett.“ Und schickt doch gleich ein Lächeln hinterher.
Bis weit nach Mitternacht hat die 48-Jährige mit Journalisten zusammengesessen, um einen Einblick in das Leben in der Flüchtlingsunterkunft zu geben. Viele der 250 Menschen aus Albanien, Syrien, Mazedonien und Afghanistan haben die Gelegenheit genutzt, um mit der Flüchtlingsbeauftragten ins Gespräch zu kommen. Ihre Sorgen zu schildern. Fotos von ihren zerstörten Häusern zu zeigen. Und ihren Willen zu bezeugen, ihre Fähigkeiten in Deutschland einzubringen.
So auch an diesem Morgen. Eine blonde Frau kommt zu Miriam Koch an den Tisch. Sie sagt, sie sei Albanerin, eine Krankenschwester. „Ihr braucht doch Krankenschwestern. Lasst mich hier arbeiten“, sagt sie auf Englisch. Miriam Koch hört es sich an — mit dem Wissen, dass die Chancen der jungen Albanerin auf Asyl äußerst gering sind. „Ich versuche, den Menschen zu erklären, dass ich von der Stadt bin und auf solche Dinge keinen Einfluss habe“, sagt sie nach dem Gespräch. Eine andere Frau steht bereits neben ihr, macht auf sich aufmerksam. Sie spricht schlechtes Englisch, ein Mann will übersetzen. Sie sagt, ihr 16-jähriger Sohn sei noch in der Flüchtlingsunterkunft an der Uni. Koch versichert, sie werde sich darum kümmern, dass Sohn und Mutter zusammengeführt werden.
Thema des Tages
Flüchtlinge
Miriam Koch weiß um die Not der Frau. „Als Alleinreisende muss sie sich den Schlafplatz mit mehreren fremden Menschen teilen. Das ist natürlich kein Zustand“, sagt sie. Sie zeigt einen Schlafbereich: Es gibt keine Türen, lediglich Vorhänge trennen die kleinen Räume mit jeweils vier Hochbetten vom Flur ab. Bei so wenig Privatsphäre scheint es Koch zu wundern, dass es bisher keine Auseinandersetzungen gab.
„Diese Notlösungen haben bald ein Ende. Dann sind die neuen Traglufthallen und Wohncontainer bezugsfertig“, sagt sie, während sie in ihr Auto steigt — ein Elektroauto der Stadtverwaltung, das dringend aufgeladen werden muss. Koch und ihr Team suchen ständig nach neuen Möglichkeiten, wo Menschen untergebracht werden können, sind als Ansprechpartner vor Ort, koordinieren die ehrenamtliche Hilfe.
Über den Südring geht es Richtung Rathaus. Immer wieder vibriert das Handy. Termine werden abgestimmt. Samstag wird Miriam Koch noch im ZDF zu sehen sein, mit der Bürgerstiftung eine Weihnachtsaktion planen und Rita Süssmuth treffen. „Als ich im Februar zur Flüchtlingsbeauftragten ernannt wurde, wusste ich schon, dass ich in diesem Job nicht um 17 Uhr Feierabend mache. Aber dass es dieses Ausmaß annehmen würde, das konnte ich nicht ahnen“, sagt sie. Im Juli wollte sie ein paar Tage in Sizilien entspannen. Doch Krisenmanagement kennt keinen Urlaub: Zwischen Strandaufenthalt und Abendessen telefonierte Koch mit Journalisten, sprach sich mit der Stadtverwaltung ab und plante Unterkunftsmöglichkeiten. Privates und Berufliches zu trennen, ginge in ihrem Job ohnehin nicht. „Ich lege aber großen Wert darauf, dass ich mit meiner jüngeren Tochter gemeinsam frühstücke, bevor der Arbeitstag beginnt“, sagt sie.
Das Elektoauto rollt geräuschlos auf den Hof des Rathauses. Kochs Mitarbeiterin steht mit dem Taxi bereit, das beide zum nächsten Termin bringen wird — die Eröffnung der ersten Stadtbezirks-Anlaufstelle für Flüchtlinge und ehrenamtliche Helfer. Auf dem Weg dorthin setzt sich Koch die Kontaktlinsen ein, das war in der Hektik untergegangen. Das Handy vibriert zum wiederholten Mal. Nach dem Telefonat kommt zum ersten Mal der Eindruck auf, dass auch Miriam Koch genervt sein kann. „Manchmal verlieren Menschen durch den Willen, unbedingt als erste helfen zu wollen, das aus den Augen, um das es eigentlich geht — das Helfen.“
Am Ziel angekommen, werden jede Menge Hände geschüttelt, Häppchen gegessen und schließlich ein rotes Band durchgeschnitten. Koch selbst führt Interviews, ist geduldig und höflich. Eine Passantin interessiert der Medienrummel, sie nimmt eine Journalistin zur Seite und deutet auf Miriam Koch. „Ist das die Flüchtlingsfrau?“
Nach eineinhalb Stunden bringt ein Fahrer Koch und ihre Mitarbeiterin zurück zur Flüchtlingsunterkunft nach Holthausen. Auf dem Hof steht bereits der Übertragungswagen des ZDF. Eine Live-Schalte ist geplant. Koch wirkt entspannt. „Ich beschäftige mich seit Monaten mit der Flüchtlingsthematik, da brauche ich keine Vorbereitung. Ich könnte nachts um drei Uhr geweckt werden und jede Frage beantworten.“ Nur heute Nacht, fügt sie hinzu, da müsse sie dringend Schlaf nachholen.