Elternkritik an Ganztagsschule: Überfüllt und unflexibel

Volle Räume stressen Kinder und Erzieher. Starre Abholzeiten sind das Hauptproblem.

Düsseldorf. Die Offene Ganztagsschule in Düsseldorf ist ein Riesenerfolg. Was vor acht Jahren mit wenigen Kindern startete, ist mittlerweile zum Standard an sämtlichen Grundschulen geworden, die große Mehrheit nimmt das Angebot wahr. Aber nicht alle sind glücklich damit.

Tanja Henseleit hat für ihre Bachelorarbeit eine Düsseldorfer Grundschule besucht und Kinder im Ganztag befragt. 25 Kinder in einem Raum ohne Rückzugsmöglichkeit, dazu starre Abläufe.

Ihr Fazit: „Die Kinder waren gestresst.“ Während für Kitas vorgeschrieben ist, dass die Kinder einen Rückzugsraum haben, sei das an den Schulen verboten: aus Aufsichtsgründen.

Ihr Mann, Matthias Frey, bietet seit Jahren AGs im Ganztagsbereich an und sieht das Thema ähnlich kritisch: „Die starren Abholzeiten sind nicht familienfreundlich. Wieso kann ein Vater sein Kind erst um 16 Uhr abholen, wenn er einen freien Nachmittag hat?“

Tatsächlich ist früheres Abholen der Kinder im Ganztag unerwünscht. Die Vorgabe dafür ist ein Landeserlass, der im Januar erneuert wurde und in dem von einer „verpflichtenden Teilnahme aller Schüler“ die Rede ist.

Das kritisiert der Stadtelternrat. Die Vorsitzende Svenja Kruse fordert flexible Abholzeiten. Sie bedauert, dass mit der Einführung des Ganztags an vielen Schulen die Übermittagsbetreuung abgeschafft wurde. Grund: „Die Schulen bekommen dafür kein Geld.“

Ihr Fazit: Das System sei zu wenig an den Bedürfnissen von Eltern und Kindern ausgerichtet. Immerhin werde an der Grundschule ihrer Tochter überlegt, das Übermittags-Modell zusätzlich wieder einzuführen.

Nach Überzeugung von Matthias Frey sind viele Familien, die ihre Kinder im Ganztag anmelden, gar nicht darauf angewiesen, weil ein Elternteil nicht Vollzeit arbeite. Der Ganztag sei aber zum Automatismus geworden, auch weil er ein sehr günstiges Betreuungsangebot biete.

Svenja Kruse hat beobachtet, dass daraus auch soziale Zwänge entstünden: „Manche sehen sich gezwungen, ihr Kind anzumelden, damit es nachmittags mit seinen Freunden spielen kann.“

Silke Vogelbusch, Leiterin des Schulverwaltungsamtes, kann die Kritik nicht nachvollziehen. „Ein Raum von 60 Quadratmetern ist ausreichend für eine Gruppe von 25 Kindern“. Letztlich stünden aber die Schulen selber in der Verantwortung, die Raumaufteilung vernünftig zu organisieren. In Sachen Abholungszeiten verweist sie auf den Landeserlass.

Manuela Hasselmann, Leiterin der Astrid-Lindgren-Schule, hält die Regelung auch für gut: „Freie Abholzeiten würden die Arbeiten erschweren.“ Abholung ist hier um 15 oder 17 Uhr, Ausnahmen darf es geben.

Einen anderen Weg Christiane Lojewski gegangen. Auch sie war mit der Betreuung unzufrieden, nach dem Unterricht hätten die Kinder nur Stress gehabt: Es sollte schnell gegessen werden, dann Hausaufgaben und noch eine Stunde Angebote zur Beschäftigung. Gestört haben sie auch häufige Personalwechsel unter den Erziehern.

Christina Lojewski machte eine Fortbildung in Tagespflege und öffnete nahe der Schule selber eine Betreuungsgruppe für sechs bis acht Kinder. In der Schule habe niemand ein Problem damit gehabt. Bei der Stadt auch nicht: So sind neue Plätze entstanden, das Jugendamt bezuschusst das.