Düsseldorf EM-Stimmung kommt auch in Bilk nur langsam auf
Public Viewing rund um die Bilker Kirche: Die Wirte sind mit dem Besuch beim 3:0-Erfolg gegen die Slowakei nicht zufrieden. Richtig euphorisch sind die Gäste noch nicht.
Düsseldorf. Die deutsche Nationalhymne läuft und im Haus Freiligrath auf der Neusser Straße sitzen nur 14 Gäste. „Zuhause Fußball gucken ist langweilig“, sagt Torsten Wemhoff, während auf der Leinwand die deutschen Spieler in Großaufnahme zu sehen sind. „Dass es hier so leer ist, wundert uns schon“, meint Melanie May. Sie ist mit ihren Freunden zur Übertragung des Achtelfinales der Deutschen gegen die Slowakei in die Bilker Kneipe gekommen, weil sie ums Eck wohnen.
Sebastian Herrmann ist nicht zu beneiden. Der Rheinbahn-Mitarbeiter steht seit sieben Uhr früh mit seinem blauen Motorroller neben der Kreuzung Gladbacher Straße/Neusser Straße und informiert die Fahrgäste darüber, dass wegen des Triathlons die Straßenbahnlinien 706 und 709 woanders abfahren. Als Jerome Boateng in der achten Minute das 1:0 erzielt, hört Herrmann den Jubel aus den Lokalen in der Nachbarschaft und lächelt. „Irgendwie bekomme ich doch etwas mit“, sagt er vergnügt.
In der Frida auf der Bilker Allee wird das Spiel auf einer großen Leinwand übertragen. „Eigentlich haben wir gar keine Ahnung vom Fußball“, meint Claudia Berge, die mit ihrer Freundin Sabine Oswald am Tisch sitzt. Ein kleines, blinkendes Kunststoffherz in Schwarz-Rot-Gold und ein Schal in Nationalfarben reichen den beiden als Fandeko. Mesut Özil vergibt einen Elfmeter und Niko Stojanovski zieht Bilanz. „Es gibt keine EM-Euphorie. Zum ersten Gruppenspiel hatten wir auf dem Bürgersteig noch einen Bierwagen, aber das lohnte sich gar nicht. Ich bin froh, wenn die EM vorbei ist“, sagt der Inhaber der Frida. Er macht noch einen Grund für die Flaute aus: „Inzwischen überträgt jedes Lokal Fußball.“
Die Stimme von ZDF-Kommentator Béla Réthy ist bis zum verschlossenen Portal der katholischen Pfarrkirche St. Martin zu hören, als Mario Gomez das 2:0 erzielt. Gegenüber, vor den Kaffeepiraten auf der Neusser Straße, sitzt ein Mann und liest seelenruhig Zeitung. Die Europameisterschaft scheint im Land des Weltmeisters eine Veranstaltung zweiter Klasse zu sein. „Der Besuch ist nicht so, wie er sein sollte“, sagt auch Peter Hofmann achselzuckend. Der Chef vom Fuchs im Hofmanns zeigt das Achtelfinale auf einer Leinwand und drei großen Flachbildschirmen. „Bei manchen Champions League-Spielen ist hier deutlich mehr Betrieb“, meint der Wirt.
Tierärztin Lilly Vornholz ist mit vier Freunden in das gutbürgerliche Lokal im Schatten der Bilker Kirche gekommen. „In einer Kneipe ist es privater als auf einer Fanmeile und trotzdem ist die Stimmung gut“, freut sich die 28-Jährige, deren Hund mit maximaler Teilnahmslosigkeit verfolgt, wie sich Frauchen über das 3:0 von Julian Draxler freut.
Rheinbahner Sebastian Herrmann bekommt die gute Nachricht auf der Kreuzung mit. Aber er hat keine Zeit, sich zu freuen, weil ihn eine ganz in Schwarz gekleidete Frau bittet, sie mit ihrem Handy zu fotografieren. „Aber nicht nur die Füße!“, sagt die Fremde streng und der Rheinbahner atmet tief ein, während er auf den Auslöser drückt. „Ich bin gerne unter Menschen“, sagt der freundliche Mann.
Wenigstens regnet es diesmal nicht, während die deutsche Mannschaft spielt. „Zum Viertelfinale gehen wir wieder raus. Mal sehen, wohin, vielleicht in die Altstadt“, kündigt Melanie May an, die immer noch ein wenig verloren mit ihren Freunden im Haus Freiligrath sitzt. Das nächste Spiel der Deutschen kann Rheinbahner Herrmann sehen, wo er möchte.