Er bringt „1984“ auf die Düsseldorfer Bühne

Regisseur Armin Petras erzählt, warum er Stuttgart auf dem Höhepunkt verlässt, was er jetzt in Düsseldorf vor hat und womit er zurückkehren will.

Theaterregisseur Armin Petras ist eng verbunden mit Intendant Wilfried Schulz.

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Die Indoor-Mütze trug Armin Petras schon immer, lange bevor sie in Mode kam. Seit Jahrzehnten. In diesem Outfit kennen Theaterfans den Regisseur und Autor, der unter dem Pseudonym Fritz Kater zahlreiche Stücke verfasste (sie stehen bundesweit auf Spielplänen) und auch zwölf Jahre lang Intendant war. Zunächst am Maxim-Gorki-Theater in Berlin und derzeit noch im Schauspiel Stuttgart. Die New York Times, die selten über deutsche Sprechtheater berichtet, lobte das Stuttgarter Haus von Petras als „eine der aufregendsten Bühnen in Deutschland“. Der 1964 in Meschede geborene und in Ostberlin aufgewachsene Vollblut-Theatermann inszeniert derzeit „1984“ von George Orwell (Premiere: 12. Mai im Central), natürlich in einer von ihm geschriebenen Theaterfassung. Mit dieser Koproduktion mit Stuttgart verabschiedet sich Petras von der baden-württembergischen Metropole. Die WZ sprach mit dem ungeduldigen Schnelldenker, -sprecher und -macher während der Proben.

Herr Petras, Sie inszenieren das erste Mal in Düsseldorf. Was sagt Ihnen die Stadt?

Armin Petras: Auf den ersten Blick eine normale westdeutsche Stadt. Vorher habe ich in Köln inszeniert. Nie hätte ich gedacht, dass es 30 Kilometer voneinander entfernt zwei so unterschiedliche Städte gibt. Mein Eindruck hier ist überwältigend positiv. Eine Designerstadt, mit viel Fashion und Medien, mit vielen Migranten.

Fühlen Sie sich nach einigen Wochen hier wohl?

Petras: Ja, besonders wegen des fantastischen Teams von Wilfried Schulz. In Dresden habe ich unter ihm bereits vier Mal inszeniert, unter anderem auch meine Fassung vom „Besuch der alten Dame“.

Was ist das Außergewöhnliche an Schulz?

Petras: Er ist ein erfahrener Theaterleiter und genauer Arbeitspartner. Vorbildlich ist für mich das Arbeitsethos in der ‚Familie Schulz’. Die preußisch-protestantische Erziehung verbindet mich, als Ostberliner, mit dem Westberliner Schulz.

Gerade lobte die New York Times Sie und das Stuttgarter Haus über den grünen Klee. Warum gehen Sie auf dem Höhepunkt?

Petras: Aus persönlichen Gründen. Auch weil ich in Brandenburg wohne und drei Kinder habe. Deshalb wollte ich zurück in die Region.

Das Schauspielhaus Düsseldorf ist derzeit zu über 85 Prozent ausgelastet. Sie lagen auch bei 80 Prozent.

Petras: Ja, das ist eine großartige Leistung in so kurzer Zeit. Und sicherlich gut, selbst wenn manche meinen, das Programm sei zu populistisch. Aber Auslastung allein ist nicht eine Frage künstlerischer Qualität. Wichtiger ist: Theater muss ein Spiegel unserer Gesellschaft sein, besonders in einer Stadt von der Größe Düsseldorfs. Es ist der letzte demokratische Ort, an dem Zuschauer sich anschreien und buhen dürfen. Um im Gespräch zu bleiben, müssen Stücke ‚lesbar’ bleiben. Denn ich bin ein glühender Anhänger des Stadttheaters. Genauso wie Wilfried Schulz.

Es wird immer gesagt, dass nur zwei Prozent der Bevölkerung ins Theater gehen.

Petras: Diese Zahl glaube ich nicht.

Sie schreiben Stücke unter dem Namen Fritz Kater. Als Armin Petras haben Sie aber jetzt eine Fassung von Orwells „1984“ verfasst.

Petras: Ja, aber von Fritz Kater sind auch ein paar Töne zu hören (lacht). Aber Stücke oder Romane bearbeite oder inszeniere ich unter meinem Namen. Fritz Kater schreibt Stücke über Themen, die vielleicht vor 20 Jahren virulent waren. Als Autor schweige ich sehr lange Zeit, bevor ich beginne. Zumal ich nur im Sommer schreibe. So habe ich jetzt ein Stück über Heiner Müller geschrieben. Es spielt 1995, in Müllers letztem Lebensjahr.

Sie haben für „1984“ nicht die englische Bühnenfassung benutzt. Warum?

Petras: Ich wollte den Roman über einen Überwachungsstaat, wie Orwell ihn 1948 visionär beschrieb, mit dem Sänger, Bandleader und Schauspieler Christian Friedel herausbringen. Ich schrieb die Texte, Friedel und seine Band „Woods of Birnam“ haben die Songs komponiert. Es wird ein düsteres Kammerspiel mit Pop-Musik und mit acht Figuren. Vier aus Düsseldorf, vier aus Stuttgart. Friedel übernimmt die Rolle des Big Brother.

Warum düster?

Petras: Es ist ja die dunkle, traurige Geschichte über ein totalitäres System und die Vereinzelung des Menschen, der auf eine Funktion reduziert wird. Auch in unserer Zeit des Turbo-Kapitalismus muss der Einzelne eine bestimmte Funktion erfüllen. Schwierig zu vermitteln ist die kritische Position in einer Zeit, in der 20-Jährige freiwillig Daten von sich preisgeben. Sie können sich kaum vorstellen, dass vor 30 Jahren viele Menschen sich weigerten, an einer Volkszählung teilzunehmen.

Sie werden auch nächste Spielzeit wieder in Düsseldorf inszenieren?

Petras: Ja, neben Arthur Millers „Ein Blick von der Brücke“ arbeite ich jetzt schon an einem Musikprojekt über den legendären ungarischen Freiheitskämpfer Sandor Petöfi mit Schorsch Kamerun. Es ist eine Zusammenarbeit mit Budapest. Mit ost- und südeuropäischen Theatern arbeite ich gerne und häufig zusammen, so auch mit Griechenland, Tschechien und Rumänien. So kann Theater auch einen Beitrag zum europäischen Projekt leisten.