Ex-Scorpions-Gitarrist heute im „Pitcher“

Seit 40 Jahren ist Uli Jon Roth als Solo-Künstler unterwegs. Er spielt auch Stücke von Jimi Hendrix.

Foto: Steve C. Mitchell/dpa-Bildfunk

Einer der international renommiertesten und experimentierfreudigsten Gitarristen ist Uli Jon Roth. Der Ex-Scorpions-Gitarrist, der auf eine inzwischen 40-jährige Solokarriere zurückblicken kann, tritt heute und morgen im Pitcher an der Oberbilker Allee 29 auf, um hier Kostproben aus seiner Scorpions-Phase und Jimi Hendrix-Coverversionen zu präsentieren. Beide Konzerte sind ausverkauft.

Müssen Sie gerade wieder was Neues vorbereiten zu Ihrer „Welttournee Teil 2“, die jetzt noch einmal so richtig durchstartet?

Uli Jon Roth: Nein, dafür muss ich mich gar nicht vorbereiten. Das Programm, das wir vorbereiten, die Songs, die sind mir so geläufig, die könnte ich geradezu im Schlaf spielen. Ich arbeite momentan schon an ganz anderen Projekten.

Und die wären?

Roth: Es gibt ein Großprojekt für Ende nächsten Jahres, da ist nämlich mein 50. Bühnenjubiläum! Und da machen wir sieben Konzerte in Japan mit sieben verschiedenen Programmen. Zwei davon sind mit Orchester. Ich schaue mir gerade meine Orchesterpartituren an und bereite mich eigentlich mehr darauf vor. Das ist erheblich arbeitsaufwendiger als Rockmusik.

Spielen Sie bei dieser Tour viele Songs aus Ihrer Scorpions-Zeit bis 1978 wie „We’ll Burn The Sky“ und „Pictured Life“, Lieder also, die zum ersten Mal wieder gebracht werden, weil sie gar nicht auf der Original-Livescheibe „Tokyo Tapes“ der Scorpions mit drauf sind?

Roth: Jein, auf „Tokyo Tapes“ waren die sicherlich nicht drauf. Ich hatte aber schon vor meiner „Tokyo Tapes Revisited“-Veröffentlichung, die auf DVD war, eine CD auf dem Markt, die hieß „Scorpions Revisited“. Ich habe praktisch meine Favoriten herausgepickt, mir die noch einmal näher angeschaut und dann mit meiner Band noch einmal vollkommen neu inszeniert. Und faktisch ist das, was wir jetzt auf der Bühne machen, eine Fortsetzung dessen.

Was war die Intention, die alten Scorpions-Songs noch einmal neu zu interpretieren?

Roth: Da geht es eigentlich darum, die Zeit aufzuarbeiten, die ich bei den Scorpions verbracht habe. Und das war für mich eine ganz wichtige Zeit, eine sehr fruchtbare Zeit. Ich habe die Scorpions-Zeit immer als Lehrzeit in mehreren Bereichen gesehen: Ich fing an, als ich 19 war. Da fängt man ja so gerade an, ein bisschen erwachsen zu werden, mit Mühe. Und dann war jedes Jahr, fünf Jahre, voll gespickt mit neuen Eindrücken. Man arbeitet an sich, und es floss eigentlich alles schön vor sich hin. Gleichzeitig haben wir jedes Jahr eine neue Platte gemacht. Und da gab es auch immer mehr Fortschritte, weil jede Platte, auch in der Qualität des Songwritings, ein weiterer Schritt die Leiter hoch war.

Wie lief diese Veränderung konkret? Wie haben Sie damals das Zusammenkommen mit Klaus Meine und Rudolf Schenker realisiert?

Roth: Ich habe einfach gemerkt, dass sie es sehr gut konnten, mit einfachen Mitteln richtig gute Melodien, teilweise auch tiefer gehende Melodien und Parts, zu schreiben. Und die meisten Leute hatten dieses Talent nicht. Ich selbst kam mehr von klassischen Denkweisen her. Ich hatte mich sehr mit Violinenkonzerten und solchen Dingen auseinandergesetzt, hatte also eine komplexere Denkweise. Und das ganz Einfache ging mir ab. Das habe ich aber gemerkt, und ich wollte das auch können.

Sie sind mit Ihrer Nachfolgeband Electric Sun und vielen Orchesterkompostionen und -inszenierungen über die Jahrzehnte etwas davon weg gegangen. Ist es so, dass sich über die Zeit wieder ein Kreis geschlossen hat, dass Sie erstmals wieder bei den Scorpions gelandet sind?

Roth: Für mich war das wieder sehr interessant, mich mit den frühen Scorpions-Sachen zu beschäftigen und auf gewisse Weise auch inspirierend. Man hat im Alter einfach einen anderen Blickwinkel. Und ich glaube, dass ich jetzt eine Menge dazugelernt habe und viele Sachen, die mir früher nur instinktiv bewusst waren, besser verstehe. Und das eine oder das andere kann man jetzt auch besser machen. Für nächstes Jahr habe ich mir deshalb auch noch vorgenommen, dieselbe Sache anlässlich des 40. Jahrestages von Electric Sun mit den drei Electric Sun-Alben zu machen, dass ich diese Periode in meinem Leben aufarbeite und mir das wieder einmal anschaue, praktisch mit „Altersweisheit“, soweit man davon reden kann (lacht).

Das ist ja noch Zukunftsmusik. Was kann man als Zuhörer bei diesem Tourabschnitt an Musik erwarten?

Roth: Also wir spielen ein Minimum von eineinhalb Stunden, oft eher zwei Stunden, weil wir auch immer einen relativ großen Zugabenblock machen. Ich tausche manche Songs manchmal aus, je nachdem, wie der Abend so läuft und wie sich das anfühlt. Und wir spielen auch nicht nur alte Scorpions-Sachen. Da fließt schon einmal das eine oder andere Stück meiner Electric Sun-Band mit ein, und ab und zu gibt es am Ende auch einmal eine Ladung Jimi Hendrix.

Also so etwas wie „All Along The Watchtower“ und „Little Wing“?

Roth: Richtig! Weil wir das bei den Scorpions früher auch gemacht haben. Ich habe bei den frühen Scorpions oft auch den einen oder anderen Hendrix-Song gespielt. Das mag man heute kaum glauben, aber es war einfach so, weil ich davon beeinflusst und inspiriert war, und das ist auch in die Musik von den Scorpions mit eingeflossen.