Fall Lucan kommt in Gang
Die Verteidigung muss bis zum 31. Januar Stellung nehmen. Dann entscheidet das Gericht, ob es zum Prozess kommt.
Düsseldorf. Ob der mutmaßliche Mörder der 27-jährigen Susanne Lucan vor Gericht gestellt wird oder nicht, entscheidet sich erst im neuen Jahr. Acht Jahre nach dem gewaltsamen Tod der Bilkerin hat Staatsanwalt Christoph Kumpa im November Anklage gegen ihren damaligen Freund Thomas S. erhoben.
Das Landgericht muss nun darüber entscheiden, ob es diese zulässt — obwohl der schlagende Beweis gegen den heute 38-Jährigen noch immer fehlt. Laut Gerichtssprecher Michael Scholz wurde die Frist für eine Stellungnahme zur Anklageschrift am Mittwoch auf Antrag der Verteidigung bis zum 31. Januar verlängert. Scholz: „Erst dann entscheidet die Kammer über die Eröffnung des Hauptverfahrens.“
Seit dem Tod Lucans 2004 arbeitet Staatsanwalt Kumpa daran, den Verdacht gegen S. zu erhärten. Das Opfer und ihr Freund hatten damals den Abend vor der Tat gemeinsam verbracht. Doch nach seiner Aussage hatte er die junge Frau irgendwann ins Bett gebracht und war heimgefahren.
Am kommenden Tag wurde die Leiche der 27-Jährigen entdeckt. In der verschlossenen Wohnung, es gab keinerlei Hinweise auf einen weiteren Verdächtigen. Doch S. konnte nie zweifelsfrei nachgewiesen werden, dass Susanne Lucan starb, als er nach eigener Aussage noch in der Wohnung war — noch fand man die Tatwaffe oder andere Spuren bei ihm.
Dass Kumpa jetzt dennoch Anklage erheben will, ist ein Wagnis. Denn wenn dem Gericht die Indizien nicht genügen und S. freigesprochen wird, ist die Chance auf Gerechtigkeit vertan. In Deutschland darf nach geltendem Recht niemand mehr nach einem Freispruch für dasselbe Verbrechen angeklagt werden.
Das weiß man insbesondere bei der Düsseldorfer Staatsanwaltschaft: Nach dem brutalen Mord an der 28-jährigen Andrea Butzelar, die 1993 in einer Videothek an der Münsterstraße mit einem Knebel qualvoll erstickt worden war, stellte sie einen Packer vor Gericht — doch er wurde 1997 wegen der dünnen Beweislage freigesprochen. Neun Jahre später überführte ihn neueste DNA-Technik dann zweifelsfrei. Aber das Gesetz schützte ihn davor, noch einmal vor Gericht gestellt zu werden.
Die damalige NRW-Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter brachte eine Initiative auf den Weg, um dieses Gesetz abzuändern. Doch umgesetzt wurde die Novellierung im Bund bislang nicht. Für den Videothekenmord wäre sie ohnehin heute ohne Belang: Der mutmaßliche Mörder Butzelars starb 2009 an Krebs.
Die Sorge, dass auch Thomas S. freigesprochen werden könnte, weil die Beweise nicht ausreichen, hält Christoph Kumpa trotz dieser Erfahrungen nicht zurück. „Wir haben in diesem Fall keinerlei Fremd-DNA oder andere Spuren, die später mit neuer Technik noch ausgewertet werden könnten.“
Der Fall liege deshalb anders als beim Videothekenmord: „Die Beweislage wird sich in keiner Weise verbessern lassen.“ Außer durch ein Geständnis des Täters. Doch darauf will der Staatsanwalt nicht mehr warten. Mit den modernsten Verfahren hat er den Todeszeitpunkt Lucans immerhin so weit eingrenzen können, dass er mit großer Wahrscheinlichkeit eben doch in dem Zeitraum lag, als S. nach eigener Aussage noch bei seiner Freundin war.
Hat das Gericht letztlich dennoch Zweifel an seiner Schuld und lässt ihn laufen, „dann muss ich damit leben“, sagt der Ermittler.