Fliegender Generationswechsel im Düsseldorfer Apollo Varieté

Seit 20 Jahren gibt es das Varieté unter der Kniebrücke. Bernhard und Adrian Paul sprechen über die Zukunft des Hauses.

Foto: Horst Ossinger/dpa

Düsseldorf. Am Dienstag feiert das Apollo Varieté seinen 20. Geburtstag. Bernhard Paul, dem auch der Zirkus Roncalli gehört, hat es damals gegründet. Inzwischen vollzieht das Unternehmen einen Generationenwechsel. Sohn Adrian hat im März den Posten des künstlerischen Leiters übernommen. Die WZ hat sich mit beiden über das Apollo unterhalten.

Herr Paul, im März sind Sie auf den Chefsessel im Apollo gerückt. Also raus aus dem Artistenleben. Wie gefällt Ihnen der neue Job?

Adrian Paul: So ganz bin ich ja nicht raus. Ich trainiere an meiner Rollschuhnummer, mit der ich noch auftrete. Ich führe Regie, organisiere die Showabläufe und organisiere die Castings. Der Unterschied ist halt, dass ich nun nicht mehr reise. Ich wohne im Hafen, dort gefällt es mir sehr gut.

Wie haben Sie gemerkt, dass Ihr Sohn der richtige Mann für diesen Job ist?

Bernhard Paul: Na ja, man ist ja nicht unendlich und da muss man sich schon rechtzeitig Gedanken über seine Nachfolge machen. Ich habe bei Adrian sehr früh die Leidenschaft für das Varieté bemerkt. Er hat sich als junger Mensch schon immer sehr viele Gedanken über das Bühnenbild gemacht und kam immer mit interessanten Ideen an. Ich wusste oft nicht, wie er darauf kam. Außerdem ist Adrian ein toller Musiker. Da habe ich zu ihm gesagt, dass er das mit dem Apollo mal ausprobieren soll. Und ich sehe, dass ich die richtige Wahl getroffen habe.

Wie sind Sie denn auf das Apollo gekommen?

Adrian Paul: Irgendwann merkt man auch, dass einem die Kinderschuhe nicht mehr passen und dann muss man raus. Und hier im Varieté habe ich mich schon immer wohlgefühlt, wenn ich als Artist auf der Bühne stand.

Was macht ein gutes Varieté aus und was möchten Sie in der Zukunft verändern und was hat sich in der Vergangenheit alles verändert?

Adrian Paul: Im Varieté kann man auch mal etwas ausprobieren. Wir wollen aber ein bisschen jünger und noch frecher werden. Musik ist dafür ein wichtiger Faktor. Deshalb wird es in der Zukunft wieder mehr Live-Musik bei uns geben. Man muss das Publikum fesseln. Die Shows laufen im Gegensatz zu früher heute wesentlich schneller ab. Das Timing ist entscheidend. Wenn das Publikum nicht mehr unter Spannung steht, dann schaut es auf das Handy. Man darf den Besuchern also keine Chance geben, sich zu langweilen. Das Varieté der 20er Jahre war eine Nachtclub-Atmosphäre. Dort wollen wir wieder hin.

Bernhard Paul: Varieté ist eine Abendveranstaltung und darf auch erotisch sein. Allerdings mit Anstand und ohne dabei vulgär zu sein. Das hat bei der Show „Burlesque“ gut funktioniert und so etwas werden wir sicherlich wieder machen. Das Apollo ist insgesamt erwachsener geworden. Wir haben unser Handwerk gelernt und uns etabliert. Wir haben vor kurzem noch sehr viel Geld in die Lichtanlage und den Sound investiert. Außerdem führen wir die Küche wieder in Eigenregie und das Essen ist wieder sehr viel besser geworden. Die Details müssen stimmen, da bin ich ein Fetischist und werde sehr unzufrieden, wenn das nicht stimmt. Zirkus ist dagegen Familienunterhaltung und für Kinder.

Was sind die größten Unterschiede zum Zirkus?

Adrian Paul: Im Zirkus wechseln die Wohnorte, aber die Show ist immer gleich. Hier ist es genau umgekehrt. Alle drei Monate haben wir eine neue Show und neue Leute, aber ich bleibe in Düsseldorf wohnen. Zirkus ist aber auch irgendwie ein geschlossener Kreis und dabei noch überschaubar. Man kennt sich untereinander. Manchmal ist es aber auch traurig, wenn eine Tour zu Ende ist und die Leute wieder in alle Himmelsrichtungen verstreut werden.

Bernhard Paul: Es ist ein riesiger Unterschied. In der Manege hat man einen Rundumblick und der Künstler wird von allen Seiten beobachtet. Da kann man manche Nummern nicht bringen. Eine Show im Varieté läuft nur drei Monate. Da kann man viel mehr ausprobieren. Daher ist es aber auch ein Sprungbrett für viele Künstler. Im Zirkus hast du den Künstler aber neun Monate, so lange läuft eine Tournee, an der Backe und wirst ihn kaum los, wenn es nicht funktioniert. Aber das Varieté ist der kleine, feine und dekadente jüngere Bruder des Zirkus. Deshalb funktioniert Varieté auch nur in der Großstadt. Zirkus kann man überall machen.

Im Mai sind Sie 70 Jahre alt geworden und Ihre beiden Töchter Vivian und Lili kommen nun in das Alter, in dem sie Verantwortung übernehmen können. Allerdings treten sie in ziemlich große Fußstapfen. Wie sieht denn deren Zukunftsplanung aus?

Bernhard Paul: Für jeden Einzelnen ist es vielleicht sehr schwer. Aber alle zusammen füllen diese Schuhe aus. Meine Töchter übernehmen im Zirkus immer mehr Verantwortung. Aber es dauert Jahre, bis sie alles wissen, kennen und ihre Entscheidungen alleine treffen können. Sie müssen auch mal ein paar Stürme erleben, um zu reifen. So wird es auch für Adrian sein. Aber ich hoffe, dass das Varieté noch viele Generationen im Familienbesitz bleibt. Dass die nächste Generation von unserem Stammpublikum auch zu uns kommt. Wir haben in Düsseldorf etwas wachgeküsst und hoffen, dass es auch so bleibt.

Und wie sieht Ihre Zukunftsplanung aus?

Adrian Paul: Ich schaue nicht so weit in die Zukunft. Im Moment bin ich mit dem Apollo verheiratet und genieße auch die Zeit in dieser Stadt. Ich kann hier vieles zu Fuß erledigen und gehe sehr gerne am Rhein spazieren.