Flughafen-Chaos nach Koffer-Fund: War es Täuschung unter Dealern? (mit Video)

Richter erlaubt nach dem Chaos am Düsseldorfer Flughafen nun doch die Veröffentlichung der Kameraaufzeichnung.

Düsseldorf. Mit dem kleinen Trolley, auf dem das inzwischen bundesweit bekannte Big-Ben-Bild prangt, geht der junge Mann — etwa 30 Jahre alt — zu den silbernen Bänken im Bahnhof der Airport-Schwebebahn „Skytrain“. Er öffnet den Reißverschluss, wühlt kurz im Koffer herum. Dann steht er auf, zieht den Trolley hinter sich her. Geradewegs ins Terminal. Zwei Minuten später fällt dort das verlassene Gepäckstück anderen Reisenden auf, es wird Alarm gegeben. Kurz darauf ist der Flughafen Düsseldorf komplett lahmgelegt — über Stunden, ein Millionenschaden.

Nach einigem juristischen Hin und Her haben Polizei und Staatsanwaltschaft nun doch die Bilder aus Überwachungskameras veröffentlicht, die zeigen, wie jener Trolley am 24. September im Terminal des Düsseldorfer Flughafens abgestellt wurde, der erst als angeblicher Bombenkoffer, dann als angeblicher Drogenkoffer und schließlich als „Kalorienbombe“ durch die Medien ging. Analysen des LKA haben erwiesen, dass es sich bei dem Pulver in den drei großen Paketen lediglich um Mehl oder Stärke handelte.

Dennoch geht Staatsanwältin Ricarda Battenstein davon aus, es hier mit einem Drogendelikt zu tun zu haben. Denn: Bestraft werden könne man nicht nur für den Handel mit Drogen, sondern auch für den Handel mit Substanzen, die Drogen vortäuschen sollen. „Sprich: Täuschung unter Dealern“, erklärt sie. Bis zu fünf Jahre Haft stehen immerhin auf dieses Vergehen.

Der Ermittlungsrichter war zunächst weniger überzeugt und lehnte eine Öffentlichkeitsfahndung ab — diese stellt immerhin einen großen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Mannes dar, der auf den Bildern zu sehen ist. Neue Erkenntnisse brachten ihn nun aber zum Einlenken: Unter anderem konnte Battenstein durch neue Aufnahmen nachweisen, dass der Mann zunächst eine Stunde lang ohne Koffer im Terminal war — das einfache Abstellen von lästigem Übergepäck scheidet als Motiv also aus; der Verdacht auf einen kriminellen Hintergrund erhärtete sich.

Je vier bis fünf Stunden Videomaterial aus über 40 Kameras hat die zehnköpfige Ermittlungskommission „Flughafen“ unter Martin Bolduan seit Ende September ausgewertet. Jetzt wissen sie: Der dunkelhaarige Mann mit dem fliederfarbenen Pulli wird an jenem Tag erstmals um 13.19 Uhr am Skytrain-Bahnhof gesehen, hält sich dann im Untergeschoss auf. Ohne Koffer. Schließlich fährt er in die Abflugebene hinauf, verlässt das Terminal. Kurz darauf kommt er um 14.24 Uhr wieder herein — jetzt mit Trolley. Er geht zum Skytrain-Bahnhof, öffnet den Koffer — kurz darauf lässt er ihn vor dem Lufthansa-Schalter im Abflugbereich zurück. Der Mann verlässt den Airport mit dem Skytrain, um 14.54 Uhr wird er am Fernbahnhof zum letzten Mal gefilmt. Ob er in einen Zug steigt, ist noch unklar.

„Ich habe keine Erklärung für das Verhalten, das ich auf den Videos sehe“, sagt Chefermittler Bolduan. Ausgeschlossen sei nach wie vor auch nicht, dass es sich statt um eine fingierte Drogenübergabe um eine gezielte Bombenalarm-Inszenierung handelte. Oder dass der Mann den Koffer einfach vor dem Terminal gefunden hat — und sich später nicht traute, sich zu melden, weil er ein solches Chaos angerichtet hatte.

Doch genau diese offenen Fragen will die Polizei jetzt klären. Deshalb werden Zeugen, die den Koffer oder den Mann erkennen, gebeten, sich unter der Hotline der Polizei unter Telefon 0211/870 8990 zu melden.