Düsseldorf G8 oder G9: Der große Abi-Streit
Die Länge der Gymnasialzeit ist das Wahlkampfthema. Auch in Düsseldorf lebt es wieder auf.
Düsseldorf. G8 oder G9, G8-Flexi, Wahlfreiheit für jedes Gymnasium — oder gar für jeden einzelnen Schüler? Das vor sechs Jahren eingeführte „Turbo-Abi“ mit nur noch acht statt neun Schuljahren auf dem Gymnasium war immer umstritten, wird aber in der Politik jetzt wieder besonders hitzig diskutiert. Es dürfte das heißeste Thema des beginnenden Landtagswahlkampfes werden. Wir haben in Düsseldorf nachgefragt, wie Lehrer, Schulleiter, Elternvertreter und Stadt zum Abi-Streit stehen.
Schuldezernent Burkhard Hintzsche erinnert an den Ursprung der Idee, die Gymnasialzeit zu verkürzen: „Es ging um die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Bildungssystems etwa im Vergleich zum anglo-amerikanischen.“
Dann aber sei ein „Systemfehler“ begangen worden: „Man hat G8 eingeführt, ohne von Anfang an die Lehrpläne anzupassen“, sagt Hintzsche, und: „Dass dies in vielen Fällen zu einer Überforderung von Schülern geführt hat, liegt auf der Hand.“ Hintzsche hätte nichts dagegen, jetzt die Entscheidung jeder Schule selbst zu überlassen, er glaubt indes nicht, „dass viele Gymnasien dann zu G9 zurückkehren würden“. Er verhehlt auch nicht, dass ein Schuljahr auf den Gymnasien mehr den Bedarf an Klassenräumen noch einmal erhöhen würde.
Peter Labouvie leitet das Gymnasium Koblenzer Straße und (interimsweise) auch das „Görres“: „Ich glaube, dass die Gymnasien G8 nach Anfangsschwierigkeiten gut gemeistert haben. An der Koblenzer Straße hat der Doppeljahrgang vor drei Jahren vergleichsweise gute Abiturergebnisse erzielt wie die Jahrgänge davor“, sagt er, „aber es ist für mich auch nachvollziehbar, wenn Eltern und Schüler eine andere Wahrnehmung haben und sagen: G8 bedeutet für uns Stress. Durch die Verkürzung der Schulzeit und Verlängerung des Schultags ändert sich zudem das Freizeitverhalten — es gibt deutliche Einschränkungen etwa bei der Teilnahme am Vereinsleben.“
Heike Uhr, Oberstudienrätin an einem Düsseldorfer Gymnasium, plädiert „ohne Wenn und Aber für eine Rückkehr zu G9“. Aus pädagogischer Sicht spreche alles dafür, sagt sie, und: „Der angeblich daraus resultierende große organisatorische Aufwand ist ein Popanz. Da fallen mir aktuell andere Reformen ein, die viel aufwändiger sind, etwa die Umstellung in allen Fächern auf Kompetenz-Lehrpläne“, sagt sie. Für nicht so einfach hält Andrea Lausberg-Reichardt aus dem Vorstand der Elternschaft Düsseldorfer Schulen die Rückkehr zu G9, sie selbst aber meint: „Inhaltlich bin ich für G9, weil G8 sich als nicht sinnvoll erwiesen hat und eine Überlastung der Kinder darstellt.“ Ein Kompromiss könne die neue SPD-Idee von „G8-Flexi“ sein, bei dem die Sekundarstufe I wieder auf sechs Jahre verlängert wird und die Schüler danach je nach Leistungsstärke und Neigung entscheiden, ob sie zwei oder drei Jahre Oberstufe draufsatteln.
Volker Syring, Leiter des Humboldt-Gymnasiums, warnt davor, zweigleisig an einer Schule zu fahren: „Wir können G9, das haben wir jahrelang gezeigt. Und wir haben bewiesen, dass wir auch zu G8 in der Lage sind. Aber G9 und G8 an einer Schule — das wird die Schulen organisatorisch überfordern.“
“ Hier und Heute S. 3