Gastbeitrag Im Düsseldorfer Exil fand ein iranischer Wissenschaftler Hilfe an der Heine-Uni
Gastbeitrag Im Düsseldorfer Exil fand ein iranischer Wissenschaftler Hilfe an der Heine-Uni
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Veränderung ist oft die leidvolle Infragestellung des Aktuellen, gerade wenn es um gesellschaftliche Umbrüche geht. Unser Menschenbild und unsere ethischen Vorstellungen spielen eine wichtige Rolle in unseren Haltungen und Entscheidungen — etwa ob wir Korruption, Unmenschlichkeit und Unrecht stillschweigend ertragen oder dagegen aufbegehren.
In Gesellschaften, in denen Menschen unterdrückt werden, bedeutet die Entscheidung zum Protest oft den Beginn von Einsamkeit: Man steht allein inmitten derjenigen Menschen, die ihre Augen verschließen, um ihre Stellung zu sichern. Gegen die Zustände in meiner Heimat Iran zu protestieren brachte mir — zusätzlich zur Einsamkeit — den Weg ins Exil ein. 2015 war ich gezwungen, meine Heimatstadt Shiraz und meine Arbeit zu verlassen. Mit einem Master in Psychologie habe ich an der dortigen Universität gearbeitet und praktizierte zusätzlich als Familienpsychologe in Shiraz.
Im Jahr 2016 fand ich mich dann in Deutschland wieder. Im Exil zu sein stellte mich vor zwei Optionen: Entweder in Traurigkeit, Depression und Enttäuschung zu verfallen, oder aber jede sich bietende Möglichkeit zu ergreifen, um vom Geflüchteten zum aktiven Mitglied der hiesigen Gesellschaft zu werden. Ich wählte den Neuanfang.
Dr. Marijn Wingerden und Prof. Dr. Tobias Kalenscher vom Institut für Vergleichende Psychologie der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf halfen mir großherzig, den Weg zurück in mein Fach und an eine Universität zu finden. Aktuell arbeite ich mich mit ihrer Unterstützung in die wissenschaftlichen Methoden der Sozial- und Neuropsychologie ein, um in Düsseldorf promovieren zu können. Die große Hilfsbereitschaft und inspirierende Atmosphäre in Prof. Kalenschers Team motivieren und ermutigen mich, in ein für mich bisher unbekanntes Arbeitsfeld vorzudringen und darin zu forschen.
Konkret werde ich untersuchen, was bei sozialen Interaktionen und Entscheidungen im Gehirn passiert. Neben meinem Start an der Universität arbeite ich jetzt als Psychologe bei der Caritas mit traumatisierten Familien, um meinen kleinen Beitrag zur Integration von anderen Geflüchteten zu leisten. Trotz aller Schwierigkeiten und Hindernisse, die die Integration mit sich bringt, bietet diese doch sowohl für Deutsche wie für Neuankömmlinge große Chancen und die Möglichkeit, die Gesellschaft mit anderen Augen zu sehen und die eigenen Werte zu überprüfen.
Nach meinem durch die Flucht erzwungenen Rollenwechsel kann ich damit — gerade auch dank Düsseldorfer Wissenschaftler — wieder in meine alte Rolle als Wissenschaftler und Therapeut zurückkehren.
Mohammad Seidisaroeui (Foto: Lukas Piel/HHU) ist ein geflüchteter Psychologe aus dem Iran, der jetzt an der Heine-Uni im Fach Psychologie promovieren wird.