#4U9525 Germanwings-Absturz: Für dieses Unglück gibt es kein Ende

Für diejenigen, die sehr eng mit dem Absturz der Germanwings-Maschine zu tun hatten, ist das Unglück auch nach einem Jahr präsent.

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Foto: Friso Gentsch/dpa

Düsseldorf. Flughafensprecher Thomas Kötter wird sich immer an den Moment Donnerstag vor einem Jahr erinnern, als das Telefon klingelte und die Welt plötzlich stillstand. „Es war ein schöner Tag, wenig Termine.“ Gerade hatte er mit seinem Schwiegervater gesprochen, der Probleme mit der Internetverbindung hatte, ihm geraten, den Computer neu zu starten. „Der nächste Anruf war dann unser automatisches Alarmierungssystem.“ Eine Computerstimme teilte ihm mit, dass es einen Flugunfall gegeben habe. Kötter: „Da geht einem das Blut in die Beine.“

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Foto: D. Young

Zehn Minuten später habe am Airport der komplette Krisenstab zusammengesessen und sich mit dem Wenigen beschäftigt, was man von dem Ende des Germanwings-Fluges in den französischen Alpen zu diesem Zeitpunkt wusste.

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Trauerfeier für die Opfer des Germanwings-Absturzes
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Wo sie damals war, weiß auch Sabine Rau noch ganz genau. Was vor allem an der Ironie des Schicksals liegt: Sie als Leitende Notfallpsychologin der Stadt war gerade dabei, mit verschiedenen Organisationen ein Konzept für die strukturierte psychosoziale Notfallversorgung in Düsseldorf zu unterzeichnen. „Alle, die in dem Bereich arbeiten, waren in der Feuerwehrleitstelle.“ Und kurz darauf gemeinsam auf dem Weg zum Flughafen.

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Foto: Flughafen

Viele Menschen und große Trauer hat Rau dort und in der Folge kennen gelernt. „Es war eine sehr, sehr dichte Zeit.“ Und auch ein Jahr danach ist sie nicht vorbei. Gerade heute nicht. „Solche Jahrestage sorgen immer dafür, dass es wieder näherkommt“, erklärt Rau — und meint natürlich nicht nur sich, sondern auch die vielen Angehörigen der 150 Toten. Wie viele von ihnen sie noch immer betreut, will und darf sie nicht sagen. Aber an diesem Tag, ein Jahr danach, dürfte für keinen dieser Menschen das Unglück „abgeschlossen“ sein.

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Foto: Michaelis

Sabine Rau spricht von einem „Verarbeitungsprozess mit Bremse“, den sie begleitet hat: Die erste Zeit, in der die Angehörigen verzweifelt auf konkrete Nachrichten warteten, statt das Loslassen lernen zu können; die fehlende Antwort auf die Frage „Warum?“, weil der Einzige, der sie geben könnte, selbst in der Maschine starb; jetzt wieder die TV-Reportagen und Titelseiten. Aber Rau hat kurz nach dem Absturz in einer Talkshow gesagt, sie habe den schönsten Beruf der Welt. „Und das sehe ich immer noch so“, bekräftigt sie. „Ich sehe Menschen mit einem unglaublichen Potenzial kämpfen. Die es etwa schaffen, in all diesem Leid noch für ihre Familie da zu sein.“ Und sie könne dabei ein kleines bisschen helfen. „Das ist ein Geschenk.“

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Foto: Michaelis

Als solches dürfte Staatsanwalt Christoph Kumpa seinen Job derzeit kaum bezeichnen. Sein Schreibtisch biege sich unter den Übersetzungen der umfangreichen Ermittlungsunterlagen aus Frankreich, sagt er. Denn auch die juristische Aufarbeitung ist eben noch ganz und gar nicht abgeschlossen. Ein Todesermittlungsverfahren in 150 Fällen. „Es ist ein besonderes Verfahren“, sagt Kumpa.

Und das lässt auch Roland Wolff, Leiter der Sonderkommission „Alpen“ im Düsseldorfer Präsidium, bis heute nicht los — obwohl es die Soko nicht mehr gibt, er sogar nach Wesel versetzt wurde. Aber auch er wird nie vergessen, wie er damals in der Pressestelle war und die Nachricht vom Absturz im Fernsehen lief. „Ich dachte sofort: Ab jetzt wird vieles anders.“ So war es und blieb es. Auch wenn er jetzt nicht mehr ermittelt, steht er mit seinen Kollegen in Frankreich in ständigem Kontakt: „Ich habe durchgehend seit 365 Tagen damit zu tun“, sagt Wolff. Ein Abschluss? Eben nicht.

Im Raum der Stille am Flughafen gibt es jetzt eine neue Gedenktafel, die an die Opfer des Germanwings-Fluges erinnert. Bis heute Mittag soll dieser Ort den Angehörigen vorbehalten sein, ab 12 Uhr ist er dann aber für alle Menschen zugänglich, die auch das Gefühl haben, dass vieles anders ist. Dass ein Jahr noch nicht weit weg ist. „Dieses Unglück“, bringt Thomas Kötter es auf den Punkt, „wird für immer mit Düsseldorf in Verbindung stehen.“