Düsseldorf Gülsen Celebi: „Angst ist kein guter Ratgeber“
Die Rechtsanwältin wird auch nach dem Ende von Düdiga politisch aktiv bleiben. Sie kritisiert die Haltung der deutschen Politik zur Türkei.
Düsseldorf. Rechtsanwältin Gülsen Celebi stand an der Spitze des Protestes gegen die rechtsradikalen Dügida-Demos. Die 44-Jährige wurde für ihr Engagement ausgezeichnet und wird politisch keine Ruhe geben.
Frau Celebi, an Ihrem Geburtstag haben Sie in Dachau den Preis für Zivilcourage bekommen. Was bedeutet die Auszeichnung für Sie?
Gülsen Celebi: Das war für mich ein Zeichen, dass ich nicht alleine bin, wenn es darum geht, eine Horde Verrückter zu bekämpfen, die mit menschenverachtenden Sprüchen durch die Straßen ziehen. Das dürfen wir nicht zulassen. Gefreut habe ich mich, den Preis in einer Stadt wie Dachau bekommen zu haben, die eine besondere Geschichte hat.
Hat sich Ihr Leben seit dem Engagement gegen Düdiga verändert? Sie sind immer wieder bedroht worden.
Celebi: Das ist nicht neu für mich. Ich unterstütze ja schon seit vielen Jahren die Fluchthilfe. Meist setze ich mich für Frauen ein, die in Not sind. Aber inzwischen auch verstärkt für Homosexuelle, die gefährdet sind, weil sie von ihren Familien teilweise verfolgt werden. Einen Teil meiner Erfahrungen mit Ehrenmorden habe ich ja auch in meinem Buch „Kein Schutz, nirgends“ verarbeitet.
Hatten Sie während der Düdiga-Demos zeitweise auch Personenschutz?
Celebi: Ich hatte zum Glück in dieser Zeit immer Freunde, die mich begleitet haben. Angst ist kein guter Ratgeber. Außerdem habe ich mich schon sehr früh politisch engagiert und werde das auch nicht ändern. Ich habe schon als 19-Jährige an den Demonstrationen gegen Rechtsradikalismus in Solingen teilgenommen.
Das heißt, Sie waren schon immer engagiert?
Celebi: Ich habe bei meinen Eltern eine humanistische Erziehung genossen, die nicht religös geprägt war. Überhaupt, was ist typisch muslimisch oder typisch katholisch? Für mich war immer wichtig, dass ich ich bin.
Sie haben auch an der Kurden-Demonstration am Zweiten Weihnachtstag teilgenommen. Fanden Sie den Zeitpunkt günstig?
Celebi: Ich fand es sehr wichtig, dass die stattfindet. Da ging es um Menschlichkeit. Welcher Tag eignet sich dafür besser als Weihnachten? Außerdem hat der Zweite Weihnachtstag aus religiöser Sicht überhaupt keine Bedeutung. Seit Wochen gibt es in mehreren Gebieten im Osten der Türkei Ausgangssperren. Menschen werden sofort erschossen, Leichen liegen auf der Straße, die medizinische Versorgung ist nicht gegeben, Schulen sind geschlossen, Menschen hungern, da sie aufgrund der Ausgangssperren keine Nahrungsmittel besorgen können und sich in Kellern vor den Granatbomben verschanzen müssen. Ich verstehe daher nicht, wie einige Unmenschen Weihnachten als ungünstigen Zeitpunkt betrachten können. Jesus wäre mit mir auf die Straße gegangen.
Sie haben selbst kurdische Wurzeln. Befürchten Sie, dass der türkisch-kurdische Konflikt auch in Deutschland ausgetragen wird?
Celebi: Natürlich sehe ich die Gefahr. Ich weiß, dass es zu Spannungen kommt. Aber ich glaube nicht, dass alte Freundschaften darunter leiden müssen. Das sind aber keine Probleme, die wir nicht kontrollieren können. Aber es handelt sich um zwei unterschiedliche Kulturen, mit verschiedenen Sprachen und Traditionen, auch wenn sich inzwischen vieles vermischt hat. Für die Kurden geht es ums Überleben. Da ist die Religion zweitrangig.
Was wünschen Sie sich von der deutschen Politik?
Celebi: Ehrlich zu sein. Wenn man so tut, als würde man sich für Menschenrechte einsetzen und dann einem Land wie der Türkei drei Milliarden Euro gibt, obwohl es selbst Flüchtlinge produziert, dann ist das eine verlogene Politik und treibt die Massen auf die Straße. Wenn wir ernsthaft verhindern wollen, dass Menschen nicht fliehen müssen, dann müssen wir dementsprechend handeln. Ansonsten muss unserer Regierung klar sein, dass die gegenwärtigen Maßnahmen eher dazu führen, dass noch mehr Flüchtlinge nach Deutschland kommen uns zwar diesmal zusätzlich auch noch viele Minderheiten der Türkei. Grenzen halten Menschen nicht auf vor einem Krieg zu fliehen.“