Gutes Tennis, wenig Glamour: Ein Turnier für jedermann
Nach dem Beinahe-Aus hat sich im Rochusclub wenig verändert: Neu ist die Sonnenterrasse mit Liegestühlen für alle.
Sie: „Sollen wir nun auf den Platz gehen, Kohlschreiber spielt?“ Er: „Deshalb sind wir gekommen.“ Sie: „Nee, ich bin wegen dem ganzen Drumherum hier.“ Der Dialog des Ehepaares am Mittwoch auf der Fressgasse im Rochusclub wirkt wie gestellt, so typisch kreist er Bedeutung und Flair, aber auch die Nöte des traditionsreichen Tennisturniers am Rolander Weg ein.
Kurz vor Weihnachten mussten die Macher des World Team Cups traurig das Ende verkünden, weil sich nach dem Rückzug der Arag zunächst kein neuer Titelsponsor finden wollte. Es gab wehmütige Nachrufe über das Ende einer Ära in Grafenberg, für die die großen Namen von Borg über McEnroe bis zu Becker und Stich standen. Doch dann sprang plötzlich ein Energie-Drink-Hersteller aus Österreich ein und rettete das Turnier. Für wie lange, das wird sich zeigen.
So richtig gerammelt voll wie in den 80er- und 90er-Jahren ist es am Mittwoch nicht im Rochusclub. Man muss nicht kämpfen um eine Eintrittskarte. Trotz des schönen Wetters. Aber immerhin füllt sich der Center Court im Laufe des Spiels von Kohlschreiber gegen den Spanier Gimeno-Traver bis zu zwei Dritteln, die Stimmung ist prima. Übrigens: In den kurzen Spielpausen werden jetzt Werbespots mit Bild und Ton auf Leinwänden eingespielt.
Viel trauriger sieht es auf dem Center Court II aus. Hier spielt Tennis nur noch eine Nebenrolle, kein Wunder, wenn die Veranstalter nur drei Doppel-Partien ohne einen bekannten Namen ansetzen. Die große Gegentribüne gibt es nicht mehr, dort reihen sich jetzt drei Vip-Lounges aneinander. Doch das Interesse der Vips hält sich zunächst sehr in Grenzen. Als sich die Doppel aus den USA und Kasachstan duellieren, schauen gerade mal zwei Dutzend Gäste mit einem kühlen Glas Weißwein oder einer Apfelschorle vor sich zu.
Die Szenerie erinnert an einen Wochenendtag auf der Terrasse irgendeines Tennisvereins. Bekannt sind hier auch die Vips nicht mehr, der Glamour-Faktor der Veranstaltung hat schon in den letzten Jahren stark nachgelassen. Am Mittwoch wird sogar der unverwüstliche Roberto Blanco vermisst (Montag und Dienstag war er vor Ort). Dafür ist wenigstens die Fußballmannschaft vom VfL Bochum da, der man als Düsseldorfer vor ihrem Entscheidungsspiel heute gegen Gladbach gerne alles Glück wünschte.
Und wie sieht das „normale“ Publikum ansonsten aus? Wie alternde Mitglieder eines Tennisclubs. Die meisten Besucher sind so zwischen 55 und 65 Jahre alt, sie kommen aus Düsseldorf oder aus der bis zu einer Autostunde entfernten Umgebung von Aachen bis Dortmund. Es sind Leute, die ihrem Sport, der es seit dem Ende der Karrieren von Becker, Graf und Stich auch in Deutschland so schwer hat, treu geblieben sind.
Am Mittwoch sind die Männer klar in der Überzahl, vielleicht weil „Gent’s Day“ ist. Inzwischen nämlich gibt es nicht nur den „weißen Sonntag“, jeder Turniertag steht unter einem Motto. Beim Gewinnspiel im „WM-Village“, der Ladengasse am Eingang mit Tennisartikeln zum Sonderpreis, können die Männer ganz männliche Gewinne ergattern — Bier und Technik-Spielzeug.
Apropos Bier: Ein Alt ist auf der ganzen Anlage nicht mehr zu bekommen, ein Pils auch nicht. Dafür hat man nun einer mexikanischen Yuppie-Marke das Monopol eingeräumt, weil es zu den Hauptsponsoren gehört.
Auf der anderen Seite ist das gastronomische Angebot vielfältig und durchaus nicht teuer: Dausers Gulaschkanone gibt’s zwar nicht mehr, dafür die ganze Palette von Bratwürsten und Frikadellen über Pizza bis hin zu Sushi und Curry-Spezialitäten.
Was ist sonst noch neu? Die Sonnenterrasse bei den Trainingsplätzen. Bislang war hier Vip-Bereich, jetzt kann jedermann auf breiten Holzstufen sitzen oder im Liegestuhl ausruhen und ein Stück Erdbeerkuchen mit Sahne verdrücken. Und dabei meist unbekannten, aber fantastisch spielenden Profis beim Training zuschauen.