Weil er keine Anstaltskleidung tragen will Häftling der JVA Düsseldorf ist im Hungerstreik – und soll nur noch 46 Kilo wiegen

Düsseldorf · Der Mann, der in der JVA Düsseldorf eine vierjährige Haftstrafe verbüßt, will dort nicht die vorgegebene Anstaltskleidung tragen.

Seit mehr als fünf Monaten befindet sich ein Gefangener der JVA Düsseldorf im Hungerstreik. Haydar Demiray will so erzwingen, dass er im Gefängnis keine Anstaltskleidung mehr tragen muss. Jetzt wurde er zur Sicherheit ins nordrhein-westfälische Haftkrankenhaus in Fröndenberg verlegt. Laut seiner Frau wiegt Demiray nur noch 46 Kilo.

Demirays Frau und Anhänger hatten eine Mahnwache vor dem Justizministerium am Martin-Luther-Platz aufgebaut, inzwischen steht diese in Fröndenberg. Der Fall Demiray ist komplex, in NRW aber auch einzigartig: Es gibt keinen anderen Häftling im Hungerstreik.

Zur Vorgeschichte des Hungerstreiks gibt es zwei Erzählweisen. Für die Justiz ist die Sache relativ klar: Demiray wurde zu drei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt, weil er Mitglied einer ausländischen terroristischen Vereinigung gewesen ist: der DHKP-C, einer laut Verfassungsschutz linksextremistischen Gruppe aus der Türkei (seit 1998 in Deutschland verboten).

Als das Urteil im März rechtskräftig wurde, musste Demiray – wie alle Gefangenen in der JVA Düsseldorf – die einheitliche Anstaltskleidung anziehen. Demiray trat in Hungerstreik. Er ernährte sich im Gefängnis laut seiner Frau nur von Wasser, Zucker, Salz und dem Vitamin B1, das langfristigen Folgen des Hungerstreiks vorbeugen soll. Wie es ihm im Haftkrankenhaus geht, ist nicht bekannt. Denn das Justizministerium gibt wegen Persönlichkeitsrechten keine Auskünfte. Allgemein teilte ein Sprecher auf Anfrage mit, dass im Fall eines Hungerstreiks der Betreffende medizinisch eng begleitet werde. Im aktuellen Fall soll Demiray eine Patientenverfügung haben, nach der er tatsächlich lieber sterben als von Ärzten gerettet werden will.

Um zu verstehen, warum die Anstaltskleidung überhaupt ein Problem ist, muss man Demirays Seite hören. Seine Frau Sonnur – die selbst wegen Mitgliedschaft in der DHKP-C mehrere Jahre in Haft saß – sagte: „Als Antifaschist lehnt er die Anstaltskleidung ab, da gerade in Deutschland die erzwungene Einheitskleidung ein Relikt der Nazizeit ist und systematisch an den inhaftierten Juden, Kommunisten, Sinti und Roma in den Konzentrationslagern angewandt wurde.“

Auch in der Türkei sei der „Kampf gegen die Einheitskleidung tief in der Historie verankert“, so Sonnur Demiray. In ihrer Heimat seien viele Menschen „im Hungerstreik gegen diese Willkürmaßnahme“ gestorben. Es ist ein einmaliges Dilemma für die Justiz in NRW: Man will sich wohl kaum erpressen lassen – aber soll ein Mann unter den Augen des Staates sterben?