IHK-Chef Udo Siepmann sieht Düsseldorf und die Region auf einem guten Weg
Der Hauptgeschäftsführer der IHK Düsseldorf äußert sich im Interview zu Neubürgermeister Geisel, dem Ärger um den Düsseldorfer Flughafen und die Zukunft der Region.
Düsseldorf. Herr Siepmann, der neue Oberbürgermeister Thomas Geisel hat im WZ-Interview den Bau von 3000 neuen Wohnungen jährlich als Ziel ausgegeben — auch um dem Mietpreisanstieg entgegenzuwirken. Da müssten Sie doch vor Freude in die Hände klatschen?
Udo Siepmann: Wir begrüßen dieses Ziel. Nicht nur wegen der daraus resultierenden Aufträge für die Wirtschaft. Wir sehen das auch unter dem Aspekt: Wo wohnen die Fachkräfte? In der Konkurrenz um gut ausgebildete Arbeitskräfte ist es wichtig, dass Wohnungen in Düsseldorf bezahlbar bleiben.
In den vergangenen Jahren lag die Zahl fertiggestellter Wohnungen eher um die 1000. Ist das Dreifache realistisch?
Siepmann: Es ist ein sehr ehrgeiziges Ziel. Ob es erreicht wird, ist auch eine Frage der Flächen, der Investorenbereitschaft und der Geschwindigkeit bei den Baugenehmigungen.
Geisel hat auch angekündigt, den Anteil des öffentlich geförderten Wohnungsbaus bei allen Bauprojekten von 20 auf 30 Prozent zu erweitern. Das ist eine Abkehr vom Handlungskonzept, das der alte Stadtrat beschlossen hat und das 20 Prozent sozialen und 20 Prozent preisgedämpften Wohnungsbau vorsah. Finden Sie das richtig?
Siepmann: Dieses Handlungskonzept hatte noch keine Chance, sich zu bewähren. Man kann immer etwas ändern, aber dafür braucht man einen empirischen Befund. Mit anderen Worten: Man sollte sehen, wie etwas wirkt, bevor man erneut an den Stellschrauben dreht.
Die politische Situation ist schwierig: FDP und Grüne haben das Handlungskonzept seinerzeit mitbeschlossen, die SPD war dagegen. Jetzt verhandeln alle drei Parteien über eine Koalition, Ausgang ungewiss . . .
Siepmann: Ja, das Ringen um Mehrheiten im neuen Stadtrat wird wohl anstrengender, aber die Qualität der Entscheidungen muss darunter nicht zwangsläufig leiden. Ich halte es für wichtig, wenn Beschlüsse mit Langzeitwirkung von einer breiten Mehrheit gefasst werden — wobei es nicht immer die gleichen Mehrheiten sein müssen. Auch die Frage der Schuldenfreiheit ist eine, bei der ich gern einen breiten Konsens sehen würde.
Wie wichtig ist die Schuldenfreiheit aus Sicht der IHK?
Siepmann: Das ist ein wichtiges Signal der Zuverlässigkeit an die Wirtschaft. Andernfalls würde dort die Befürchtung wachsen, dass die Steuern angehoben werden könnten.
Schuldenfrei im engeren Sinne ist ja nur Kernhaushalt, nicht aber die städtischen Töchter. Es ist viel darüber diskutiert worden, ob man unter diesen Umständen überhaupt von einer schuldenfreien Stadt reden kann. Wie sehen Sie das?
Siepmann: Bei den Stadttöchtern ist die Situation wie bei anderen Unternehmen: Wenn etwa der Flughafen in seine Infrastruktur investiert, dann in der Annahme, dass er dadurch in der Folge auch zusätzliche Erlöse generieren kann. Bei Unternehmen muss über den Rückstrom von Investitionen gezeigt werden, dass diese sich rechnen. Das ist auch bei der Messe der Fall. Insofern kann man das nicht mit dem Stadtetat vergleichen. Hingegen sind die Schulden des Stadtentwässerungsbetriebs kritisch zu sehen, denn der Stadtrat entscheidet dort über die Gebührengestaltung unmittelbar mit.
Bleiben wir beim Flughafen: Thomas Geisel will den Antrag auf Kapazitätserweiterung unterstützen — pocht aber darauf, dass es gleichzeitig eine verlässlichere Nachtruhe für die Anwohner geben müsse. Kann das überhaupt gelingen?
Siepmann: Auch wir stehen dem Antrag positiv gegenüber. Der Flughafen ist Wirtschafts-Motor für die ganze Region. Und in der Tat sollte das Ziel sein, durch mehr Flüge in den Spitzenzeiten Verspätungen zu vermeiden — für mehr Ruhe in der Nacht.
Weil in der Morgenspitze mehr Flüge abgewickelt werden können, soll es nachts weniger Verspätungen geben? Sind das nicht leere Versprechungen?
Siepmann: Nein, oft ziehen Verspätungen andere nach sich — manchmal über den ganzen Tag hin. Wird so etwas vermieden, ist schon viel gewonnen.
Geisel hat auch angekündigt, die Zusammenarbeit in der Region forcieren zu wollen. Das ist Ihnen doch auch ein Herzensanliegen!?
Siepmann: Ja, und wir werden ihn dabei gern unterstützen. Wenn Köln und Düsseldorf zusammen mit den benachbarten Kreisen ihre Stärken zusammentun, werden wir eine der wichtigsten Regionen in Europa sein. Für uns gehört auch eine kleine organisatorische Klammer dazu, eine Art Regionalbüro. Wir wären auch bereit, uns daran zu beteiligen.
Sie mahnen seit Jahren an, dass der Facharbeitermangel auch in dieser gut prosperierenden Region ankommt. Wie sieht die aktuelle Situation aus?
Siepmann: Im Einzugsbereich setzt sich jetzt schon der Trend durch. Beispielsweise im Kreis Mettmann, im bergischen Raum und im westlichen Ruhrgebiet. Da geht es in Kürze bis in den zweistelligen Abnahmebereich. Das sind die Räume, die uns bislang mit Pendlern versorgt haben. Der künftige Zufluss wird weniger werden.
Haben die Unternehmen begriffen, dass sie sich künftig bei der Suche nach Facharbeitern strecken müssen?
Siepmann: Es ist schon so, dass viele Firmen sehr stark ihre Personalsituation vor dem Hintergrund der aktuellen Konjunktursituation planen. Das Denken über diesen Zyklus hinaus ist leider noch kein verbreitetes Phänomen.
Wie sieht es mit den Planungen des Reisholzer Hafens aus. In diesem Jahr soll die Machbarkeitsstudie fertig werden. Bleibt es dabei?
Siepmann: Ich sehe viel Unterstützung im neuen Rat. Auch der neuen Stadtspitze ist die Bedeutung der Logistik für die hiesigen Unternehmen bekannt. Aber klar ist auch: auf 56 Hektar kann man nur in begrenztem Umfang etwas machen, und das Projekt muss sich betriebswirtschaftlich rechnen.
Die so genannte Task Force für Arbeit wurde vor Jahren gegründet, um Menschen im Job zu halten. Bald könnte alles anders herumlaufen . . .
Siepmann: Das wird für uns eine Daueraufgabe. Die Task Force kümmert sich intensiv um das Thema Fachkräftemangel. Dabei wird es neben der betrieblichen Ausbildung auch um den verstärkten Einsatz von Frauen im Betrieb nach der Elternzeit gehen und um familienfreundliche Arbeitszeiten. Das sind einige der Parameter, an denen man drehen kann.
Jetzt mal zu ihnen: Sie sind 63 Jahre alt, seit 1999 Hauptgeschäftsführer der IHK Düsseldorf. Wie sehen ihre Pläne aus?
Siepmann: Mit 65 Jahren möchte ich mich aus dem Arbeitsleben zurückziehen. Ich würde dann gern mehr Zeit an den Teleskopen meiner Sternwarte verbringen und mehr eigene Vorträge über Astronomie halten.