Altenpflege 900 Plätze fehlen: Stadt Düsseldorf prüft, wieder selbst Pflegeheime zu betreiben

Düsseldorf · Politik erteilt auf Antrag der SPD einen Prüfauftrag. Ende der 90er-Jahre hatte die Stadt zwei Altenheime aufgegeben. Die Freien Träger sind wenig begeistert und warnen.

Eine Pflegerin geht in einem Altenheim mit einer Bewohnerin über die Station. In Düsseldorf fehlen etwa 1000 stationäre Pflegeplätze.

Foto: dpa/Christoph Schmidt

Eine traurige Lebensweisheit besagt: Je älter man als Mensch wird, desto weniger wird man beachtet. Tatsächlich setzt dieser Prozess sehr früh ein, schon das Kleinkind bekommt nicht mehr so viel Aufmerksamkeit wie der Säugling, im hohen Alter fühlen sich dann viele völlig allein gelassen. Auch von Staat und Politik. Denn während mehr und früher geltende Rechtsansprüche auf Kinderbetreuung eingeführt werden, gibt es in der stationären Altenpflege nichts Vergleichbares. Hier muss im Grunde jeder selbst sehen, wo er bleibt. In der alternden Gesellschaft fehlen immer mehr Plätze in Pflegeheimen, was im Rathaus jetzt zu einem grundsätzliches Umdenken führen könnte. Konkret: Die SPD brachte am Mittwoch im Sozialausschuss mit knapper Mehrheit einen Antrag durch, der die Stadt auffordert, zu prüfen, ob sie nicht selbst wieder Altenpflegeheime planen, bauen und betreiben kann und soll.

Zunächst geht es darum, zu eruieren – auch in Städten wie Krefeld oder Solingen, die noch kommunale Pflegeheime betreiben –, welche baulichen und personellen Voraussetzungen dafür geschaffen werden müssten. Bis Ende der 90er-Jahre hatte die Stadt zwei Altenheime in Eigenregie: eins in Flehe, eins am Gallberg in Ludenberg.

Awo, Caritas, Diakonie und Co. sind wenig begeistert

„Der Bedarf steigt und steigt, zugleich gehört die Pflege in unseren Augen zur kommunalen Daseinsvorsorge“, sagte SPD-Bürgermeisterin Klaudia Zepuntke. Sie ist selbst Altenpflegerin und hat gerade wieder erlebt, wie bei einem alten Ehepaar der Mann mangels Plätzen in Düsseldorf in ein Heim nach Neuss gezogen ist und seine Frau ihn wegen der schlechten Bus- und Bahnverbindungen nur unter größten Schwierigkeiten besuchen kann. Vorsichtshalber ergänzte Zepuntke ihren Antrag so: „Wir wollen als Stadt niemandem etwas wegnehmen.“

Doch das beruhigte die Liga der Wohlfahrt mit den alteingessenen Pflegeheimbetreibern wie Diakonie, Caritas, Awo oder Rotes Kreuz nicht. Konkurrenz haben diese gemeinnützigen Träger nicht so gerne, weder private noch städtische. Ergo warnte Liga-Sprecherin Marion Warden (Awo) die Stadt davor, jetzt selbst wieder ganz neue Strukturen aufzubauen, was in Düsseldorf angesichts der extrem hohen Bodenpreise und des Pflegekräftemangels auch sehr schwierig sei. Lieber solle die Stadt mit den freien Trägern zusammenarbeiten, sprich: ihnen mehr Mittel zur Verfügung stellen. Ins gleiche Horn stießen Sprecherinnen von CDU und FDP, die betonten, der Stadt fehlten Expertise und Mittel in der Pflege, ganz im Gegensatz zur Liga. Eine Mehrheit aus SPD, Grünen und Linkspartei aber sah es anders.

Zuvor hatte das Amt für soziale Sicherung den aktuellen Pflegebedarfsplan für Düsseldorf vorgestellt. Demnach gibt es derzeit gut 4850 stationäre Altenpflegeplätze in Düsseldorf, benötigt würden jedoch fast 6300. Zwar sind rund 550 neue Plätze bereits in Planung, doch selbst damit würden noch etwa 900 fehlen. Angesichts der heutzutage verbindlichen Einzelzimmerquote von 80 Prozent entspricht das mindestens acht neuen Einrichtungen. Demgegenüber versorgen momentan 128 ambulante Pflegedienste rund 11 000 Senioren daheim.

Beide Seiten eint der Personalmangel. Alles in allem gibt es in Düsseldorf derzeit 5060 Stellen im Pflegebereich, für deren Besetzung es aber etwa wegen Teilzeit-Arbeitsplätzen wesentlich mehr „Köpfe“ braucht. Und für ein neues Heim werden zwischen 35 und 40 Mitarbeiter benötigt, sagen Experten. Diakonie-Chef Thorsten Nolting nennt deshalb die Personalgewinnung die „größte Herausforderung“, egal, wer ein Pflegheim betreibe.