Konjunkturbericht der IHK Das Ende des Erholungskurses
Düsseldorf · Noch nie bewerteten Unternehmen in der IHK-Umfrage die Preise für Energie und Rohstoffe als so bedrohlich für das eigene Geschäft.
(ale) Der Erholungskurs der Wirtschaft hat sich in den vergangenen Monaten nicht fortgesetzt. Im Gegenteil. Wie die Konjunkturumfrage der Industrie- und Handelskammer (IHK) zeigt, bewerten die Unternehmen nicht nur ihre Lage etwas schlechter als noch im Herbst, sondern sie blicken vor allem deutlich pessimistischer auf die nächsten Monate. Unterm Strich sprechen jedoch immer noch mehr Unternehmen von einem guten als von einem schlechten Geschäftsklima. Das immerhin sei angesichts der aktuellen Umstände ein zufriedenstellendes Ergebnis, sagt Jürgen Steinmetz, Hauptgeschäftsführer der IHK Mittlerer Niederrhein.
Getrübt werden die Aussichten für die Wirtschaft neben dem unvorhersehbaren Verlauf der Pandemie vor allem von den enorm gestiegenen Energie- und Rohstoffpreisen. Die Umfrage aus dem Januar bei rund 900 Unternehmen zeigt sogar, dass die Hälfte der Betriebe die Entwicklung der Energiepreise als „wesentliches Risiko für die eigene Geschäftslage“ sieht (bei der Industrie sind sogar 80 Prozent betroffen). Steinmetz: „Das ist ein Rekordwert.“Sogar noch etwas stärker werden die Rohstoffpreise als Bedrohung wahrgenommen. Sie stellen damit das aktuell größte Geschäftsrisiko dar. Alle anderen Risikofaktoren wie der Fachkräftemangel werden dagegen zurzeit als etwas weniger gravierend angesehen. „Dies dürfte daran liegen, dass die hohen Energiepreise und die Rohstoffknappheit alles andere überlagern“, sagt Steinmetz. Die Knappheit von Vorprodukten und Rohstoffen habe eine „neue Dimension“ erreicht. Gerade einmal noch 2,4 Prozent der Industrieunternehmen würden angeben, nicht betroffen zu sein. Und an eine schnelle Erholung glaube kaum jemand.
Denn gleich mehrere Treiber gebe es für diesen negativen Trend. Die Inflation spiele eine wichtige Rolle, aber auch die Pandemie, die Personalausfälle mit sich bringe und den aktuellen Lieferstau noch verstärke. Die Energiepreise könnten zudem im Zuge des Konflikts zwischen Russland und der Ukraine weiter steigen, was für zusätzliche Unsicherheit sorge.
Angesichts dieser Bedingungen spricht Gregor Berghausen, Hauptgeschäftsführer der IHK in Düsseldorf, von einer „sehr positiven Überraschung“, dass die Industrie ihre Gesamtlage noch als verhältnismäßig gut einschätze. Der Grund: „Die Auftragsbücher füllen sich weiter, die Nachfrage ist hoch.“ Dennoch, die Produktion kann da nicht mithalten. Laut Konjunkturbericht können 47 Prozent der Betriebe bestehende Aufträge nicht abarbeiten, ein Drittel muss die Produktion drosseln oder sogar stoppen.
Am schlechtesten bewertet weiterhin der Einzelhandel seine Lage, der in weiten Teilen als Verlierer der Pandemie bezeichnet werden muss. „Die Branche hat ihre Konjunkturhoffnungen größtenteils aufgegeben“, sagt Berghausen. Die 2G-Regel habe die Konsumlaune erneut getrübt, auch die Inflation trage dazu bei, dass sich die Menschen bei höheren Preisen weniger leisten wollen und können. Deutlich besser stehe nach wie vor der Online-Handel im Vergleich zu den stationären Geschäften dar. Und hier seien die Inhaber gefragt: „Denn zwei Drittel der befragten Händler nutzen keine digitalen Vertriebskanäle.“
Dienstleister kommen unterschiedlich durch Pandemie
Bei der schwierigen Lage des Einzelhandels sind auch zunehmende Probleme beim konsumnah ausgerichteten Großhandel keine Überraschung. Die für die Industrie-Produktion wichtige Sparte vermeldet hingegen sogar eine bessere Geschäftslage. Im Gegensatz zum Sorgenkind Handel spricht Berghausen mit Blick auf den Bau von der „Jubelbranche“, die die eigenen Geschäfte besonders positiv bewerte. Die ohnehin schon sehr gute Auftragslage habe sich sogar noch weiter verbessert. Besonders unterschiedlich kommen die Dienstleister durch die Pandemie. Zu den Gewinnern zählen etwa Unternehmensberater oder im Zuge der Digitalisierung IT-Dienstleister. Kontaktintensive Berufe haben es da deutlich schwerer. So sind nach wie vor Gastronomen oder Hotels schwer getroffen. Dort sind vermehrt Wanderungsbewegungen des Personals in andere Branchen zu verzeichnen. Das gilt auch für den Einzelhandel. In dieser Branche rechnet man zudem jetzt wieder eher mit einem Personalabbau als mit Einstellungen. „Noch im Herbst waren die Betriebe optimistischer“, sagt Berghausen.
Andere Branchen haben dagegen mehr Anziehungskraft als etwa Jobs in der Gastronomie. Bei ungelernten Kräften zeige sich etwa ein Zustrom bei Unternehmen wie Amazon oder Zalando, sagt Berghausen. Eine Fachkraft, die vorher am Empfang eines Hotels gearbeitet habe, könne jetzt häufiger in einer Arztpraxis angetroffen werden. „Da wird die Fachkompetenz in einem anderen Segment angeboten, in dem es bessere Rahmenbedingungen oder Bezahlung gibt.“ Es sei bereits zu sehen, dass in Dienstleistungsberufen die Gehälter steigen, um die Fachkräfte zu gewinnen. Ein negativer Effekt: Wenn dort höhere Löhne gezahlt werden, feuert das die Inflation zusätzlich an. „Wir befinden uns bereits in einer Preisspirale,“ sagt Berghausen.