Islam in Düsseldorf: Einfluss der Wanderprediger wächst
Polizei und Awo arbeiten gegen den Fundamentalismus. Sie kämpfen mit Vorbehalten und finanziellen Nöten.
Düsseldorf. Die Internetseite einer Düsseldorfer Moschee, Bücherempfehlungen: Gleich nach dem Koran steht dort das Werk "Als Muslim leben" von Sayyid Abul A’La Maududi zum Download bereit. Inklusive des Kapitels über den Dschihad, in dem es heißt: "Wenn ihr an die Richtigkeit des Islam glaubt, bleibt euch nichts anderes übrig, als eure ganze Kraft einzusetzen, um sie auf Erden vorherrschen zu lassen. Entweder schafft ihr dies, oder ihr opfert euer Leben in diesem Kampf." Diese Worte sind nicht repräsentativ für die Haltung Düsseldorfer Muslime und Moscheen. Aber sie offenbaren ein Stück Realität, das inzwischen auch zu dieser Stadt gehört.
"Es hat eine Entwicklung stattgefunden, die bislang zu wenig beachtet wurde", sagt ein Düsseldorfer Islam-Experte. Die meisten Moscheegemeinden seien vernünftig und weltoffen. Doch es gebe auch jene, die sehr konservativen und sogar radikalen Ideen nicht abgeneigt seien. Der Wissenschaftler spricht von Einrichtungen, in der salafistische Jugendprediger ein- und ausgingen.
Es ist eine Entwicklung, die auch Dirk Sauerborn als Kontaktbeamter der Polizei für die Muslime, seit rund zwei Jahren durchaus mit Sorge betrachtet. Nicht weil die Wanderprediger etwa zu Straftaten aufriefen. "Aber ihre Inhalte sind mitunter wenig förderlich für die Integration. Und die Sorge ist, dass jemand, der nicht integriert ist, irgendwann abdriftet." Es gebe Fälle junger Düsseldorfer, die zu einer "Koran-Schulung" etwa nach Pakistan gegangen und dort radikalisiert worden seien - ob sie in die Stadt zurückkehrten, sei ungewiss.
Ziel der Wanderprediger, die von Moschee zu Moschee durch Deutschland ziehen, seien vor allem die jungen Menschen. Der Großteil der Besucher solcher Veranstaltungen sind laut Sauerborn Jugendliche ab 13 Jahren und Heranwachsende - und gerade deutsche Konvertiten. Sie hören sich zum Beispiel einen Vortrag darüber an, dass Söhne ihren Vater um Erlaubnis zu fragen haben, wenn sie heiraten wollen. Ein "Star" der Salafisten-Szene ist Pierre Vogel, ein deutscher Konvertit, der zuletzt für Aufruhr in Mönchengladbach sorgte, weil er dort eine Islamschule eröffnen wollte. In Internetvideos ist Vogel mit Sätzen wie diesen zu hören: "Ich weiß nicht, was deine Sünde ist: Spielhalle, Klauen, Leute zusammenschlagen, Abziehen, Homosexualität ..." Vogel hat mehrfach in Düsseldorfer Moscheen gesprochen.
"Unser Eindruck ist, dass es immer mehr dieser Veranstaltungen gibt", sagt Sauerborn. An jedem zweiten Wochenende inzwischen. Die Polizei kann sie nicht verbieten - und will es auch nicht. Sauerborn: "Aber wir sehen sorgfältig hin."
Die Ordnungshüter sind damit nicht allein. Die Awo hat vor zwei Jahren eigens ein Modellprojekt aufgelegt, um den Kontakt mit den Moscheen zu intensivieren - und um Jugendlichen in einer offenen Gruppe eine neutrale Anlaufstelle außerhalb der Moschee zu geben, um über Glaubensfragen zu sprechen. Um eine andere Weltsicht angeboten zu bekommen. Religiöse Muslime sollen dort auch auf andere Migranten treffen, die nicht in die festen Strukturen eines Moscheevereins eingebunden sind.
Das Projekt ist einzigartig in Düsseldorf und braucht einen langen Atem. "Ich habe Stunden und ganze Wochenenden in Moscheen verbracht", berichtet Aziz Ejjiar von der Awo. Ein Jahr dauerte es, bis endlich eine gemeinsame Veranstaltung in der Moschee an der Ronsdorfer Straße mit Schulen, Integrationsdiensten, Stadt und Polizei stattfand. Für die Awo dennoch ein großer Schritt und Erfolg: "Über Jahrzehnte gab es zuvor gar keinen Kontakt - nur Misstrauen", sagt Ejjiar. Dieses abzubauen, sei ein langwieriger Prozess.
Doch jetzt wackelt das Awo-Projekt. Zwei Jahre gab es eine Modell-Förderung vom Land, doch die lief im Sommer aus. Die Stadt wollte die Kosten von rund 75 000 Euro im Jahr nicht übernehmen, gibt lediglich einen Zuschuss von 22 000 Euro. Die offene Jugendgruppe wurde aufgrund des fehlenden Personals schon gestrichen. Die Awo will jetzt nochmals einen Antrag stellen - allerdings kaum mit Aussicht auf Erfolg. Stephan Friedel (CDU), stellvertretender Vorsitzender des Jugendhilfeausschusses, winkt ab: Die fehlenden gut 50 000 Euro zuzuschießen, könne sich die Stadt derzeit nicht leisten.