Kommunalwähler - das unbekannte Wesen
Kommunalwähler - das unbekannte Wesen
Ulrich von Alemann
Düsseldorf. Es ist Kommunalwahl - und höchstens jeder zweite geht hin. Warum nur? Politiker, Journalisten und Wissenschaftler rätseln darüber. Denn die Gemeinde, die Stadt sogar der Kreistag sind den Menschen doch viel näher als der ferne Bund in Berlin, den man nur aus den Medien kennt. Anders im Stadtrat. Da kann man abends mal hingehen. Da geht es um Wohnungs- oder Straßenbau, um Kitas und die Stadtbibliothek, um Schwimmbäder und die Müllabfuhr. Alles hautnahe Probleme, alle reformbedürftig, alle spürt man im Alltag. Und viele Kommunalpolitiker kennt man aus den Vereinen, der Regionalzeitung, dem Bürgerstammtisch. Warum dann diese Wahlmüdigkeit?
Gut 20 Prozent weniger Beteiligung als bei Bundestagswahlen. Das war in den ersten Jahrzehnten der Bundesrepublik anders, da war die kommunale Wahlbeteiligung kaum geringer als die sonstige. Viele Erklärungen werden für die überall sinkende Wahlbeteiligung angeboten: geringes politisches Interesse, Misstrauen in Politiker und Parteien, die dächten nur an sich selbst, an Diäten und Dienstwagen, aber nicht an die Nöte der Bürger. Aber das greift alles zu kurz, um die geringe kommunale Wahlbeteiligung zu erklären. Ja, bei Europawahlen ist es noch ärger, geschenkt, denn das ist leicht mit der Ferne einer undurchschaubaren Europapolitik zu erklären. Nach Umfragen ist das politische Interesse gar nicht drastisch gesunken. Die Parteien sind immer schon so, wie sie sind. Die Deutschen haben sie nie geliebt.
Und die Kommunalpolitiker haben weder Diäten noch Dienstwagen. Was läuft hier schief? Warum will der kommunale Wähler nicht wählen? Auch der Wissenschaft fällt es schwer, das zu verstehen. Sie sagt, Bundestagswahlen sind Hauptwahlen, kommunale sind Nebenwahlen. OK. Aber warum? Die Kommune könnte auch die Grundschule der Demokratie sein. Da schweigt die Weisheit. Vielleicht muss man bei den Wahlstatistiken genauer hinschauen, wo die Beteiligung so schwach ist. Das ist in den Problemvierteln der Fall. Vom Mittelstand aufwärts wird das Wählen noch als Bürgerpflicht gesehen, darunter wird es kritisch. In den sozialen Brennpunkten sackt die Beteiligung bedrohlich ab und zieht die ganze Statistik mit herunter. Wohlmeinende Plakate - „Geht doch bitte alle wählen“ - nutzen da nichts. Die Wurzel des Übels liegt in wachsender sozialer Ungleichheit. Die muss man anpacken.