Auf dem Drachen durch Phantásien

Mit großer Liebe zu Text und Detail bringt Anton Bachleitner „Die unendliche Geschichte“ ins Marionetten-Theater.

Düsseldorf. Phantásien ist der Name für ein Reich der Phantasie. Autor Michael Ende (1929-1995), der auch Jim Knopf und Momo erfand, schuf diese grenzenlose Welt in seinem philosophisch ausgereiften Jugendbuch „Die unendliche Geschichte“ (1979). Mehrfach wurde das Buch verfilmt, etwa durch Wolfgang Petersen und Bernd Eichinger. Glücklich soll der Schriftsteller mit der technisch aufwändigen, inhaltlich aber vereinfachenden Bilderschlacht der frühen 80er Jahre jedoch nicht gewesen sein.

Mit großer Textgenauigkeit geht das Team des Marionettentheaters, geleitet von Anton Bachleitner, ans Werk. Bachleitner, der schon zahlreiche Bücher Michael Endes für seine Bühne inszenierte, und mit Vertrauten des Autors wie dem Komponisten Wilfried Hiller (Bühnenmusik) und Roman Hocke (Lektor der „Unendlichen Geschichte) zusammenarbeitet, komprimiert die sehr umfangreiche Handlung zu einem zweieinhalbstündigen Stück für Erwachsene und Kinder ab acht Jahren.

Trotz Reduktion gelingt es ihm, alle Dimensionen der Handlung herauszustellen. Zentrale Textstellen werden entweder originalgetreu nachgesprochen oder erscheinen als Projektion auf einer Leinwand. Besonders raffiniert wirkt die Bühnenschachtelung. Der fiktive Buchleser, ein dicklicher, von Mitschülern gehänselter Junge namens Bastian Balthasar Bux kauert auf einem nächtlichen Dachboden, während im Hintergrund das Reich Phantásien erblüht. Ein kleines Meer von Formen, Farben und Figuren entsteht.

Zig Bildwechsel führen den Zuschauer in immer wieder andere Bezirke — vom Elfenbeinturm der Kindlichen Kaiserin über die Sümpfe der Traurigkeit bis zum Südlichen Orakel. Held der Phantásien-Handlung ist ein grünhäutiger, auf einem Glücksdrachen durch die Lüfte reitender Junge namens Atréju, zugleich Projektionsfläche und Seelenverwandter des Lesers.

Hintersinn der Odyssee, die Atréju auf sich nimmt, um Phantásien vor Zerstörung durch das „Nichts“ zu bewahren, ist es Bastian in das Buch hineinzuziehen, ihn zum Teil der Handlung werden zu lassen. Indem Bastian der Kindlichen Kaiserin einen neuen Namen schenkt, ist das Reich der Fantasie vor Zerstörung durch das „Nichts“ gerettet. Umgekehrt bewahren die fantastischen Freunde das Menschenkind zum Ende hin vor der völligen Verirrung in der Fantasiewelt.

Wie gebannt schaut man auf die Dramen, die sich auf der Marionetten-Bühne abspielen. Die ausgefeilte Technik funktioniert perfekt. Umbaupausen werden geschickt von visuellen und akustischen Ablenkungen überbrückt. Verzaubert verlässt man das Theater, erfüllt von Bildern und leidenschaftlichen Kämpfen um den Erhalt des Fantastischen in der realen Welt.