Ronsdorfer 77: Abgerocktes Idyll für Freigeister
Auf dem früheren Gewerbegebiet findet die erste große Kunstausstellung statt. Das Gelände ist randvoll mit Industriechronik.
Düsseldorf. Ein manischer Sammler war Hans-Peter Zimmer. Ein Bewunderer von Elektroschrott. Einer, der Lüster aus Wasserleitungen baute und Effektlampen aus Flugzeugdüsen, der belanglose Gemälde neben wahrer Kunst bestehen ließ. Zimmer brachte allerlei Dingen Wertschätzung entgegen, und am Ende ist es diesem undogmatischen, etwas wunderlichen Charakter zu verdanken, dass in Düsseldorf ein Ort wie die Ronsdorfer Straße 77a existiert.
Ein weitläufiges Gelände, abgerockt und randvoll mit Industriechronik. Ein Fundort für alte und neue Geschichten, nach deren Erzählern Wolfgang Schäfer nun sucht. Er ist Vorsitzender der vor einem Jahr gegründeten Hans-Peter-Zimmer-Stiftung (HPZ) und will das Gelände in Süd-Flingern zu einem Kulturzentrum ausbauen.
Die Genossenschaft Consum hatte zu Beginn des 20. Jahrhunderts dort ihren Sitz, mit Großbäckerei, Warenlager, Verwaltung und Fuhrpark. Unter dem Dach steht eine alte Teigmaschine, auf dem Boden liegen Stahlplatten, die Wände sind gekachelt, sogar eine Kühlkammer gibt es noch. In dieser funktionalen Umgebung sollen es sich jetzt also Freigeister bequem machen.
Die erste große Ausstellung „Jenseits — Beyond the Body“ wird am 27. Oktober eröffnet, sie beschäftigt sich mit der Vergänglichkeit. Fotografen, Bildhauer, Performer und Filmer, bespielen für einen Monat die Räume. Kuratiert wird die Schau von der niederländischen Kunstkritikerin Anne Berk.
Für Künstler ist die Ronsdorfer 77 seit Mitte der 70er Jahre ein Ort zum Arbeiten. Als die Backfabrik stillgelegt wurde, kaufte Hans-Peter Zimmer Areal und Gebäude, er logierte dort bereits mit seiner Firma für Wohnaccessoires. „Beyond the Body“ aber ist der Beginn einer neuen Ordnung, Schäfer und seine Kollegin Janine Blöß denken ab sofort in Zimmern: Weltkunstzimmer, Musikzimmer, Gästezimmer. Die Kategorien bezeichnen Kunstformen, denen Schäfer gern dauerhaft auf dem Gelände einen Platz geben möchte. Und sie verweisen zugleich auf den Bewahrer der Örtlichkeit, Hans-Peter Zimmer, der 2009 verstarb.
Im Sommer war das Asphalt-Festival mit Musik, Theater und Stadtteilführung zu Gast, Ende August die internationale Tanzmesse. Ausgesuchten internationalen Künstler stehen Übernachtungs- und Arbeitsmöglichkeiten offen. Schäfer selbst organisierte 2011 ein japanisches Tanztheaterfest. Ja, schräg darf und soll die künstlerische Arbeit an Ort und Stelle sein. Gern auch so unfertig wie die Räumlichkeiten, aus denen Schäfer 20 Tonnen Gewerbe-Gerümpel entfernen ließ. Dabei kam auch eine Biker-Bar zum Vorschein, in den 70er Jahren angeblich das Stammlokal der Hell’s Angels.
Die Wände zieren Bilder von Harley-Fahrern im Grünen und Blondinen mit reichlich barockem Dekolleté. Hans-Peter Zimmer, der selbst eine Harley Davidson fuhr, war laut Schäfer mit den Rockern bekannt. Vor der Kulisse harter Typen und aufgemotzter Tussis wird demnächst zeitgenössische Kunst präsentiert. „Wir werden weder hier noch an anderer Stelle etwas verändern“, sagt Schäfer. „Wir bieten Raum für Experimente, für Kunst, die keinen Platz im Museum findet.“