Ausstellung: Schneiders dunkle Verwirrspiele
Bei Konrad Fischer zeigt der Mönchengladbacher Künstler Gregor Schneider eine grandiose Schau.
Düsseldorf. Der Mönchengladbacher Bildhauer und Fotograf Gregor Schneider (39) hat schon als Jugendlicher die Zimmer in der elterlichen Wohnung, die er später "Haus u r" nannte, "verdoppelt" und neue Räume in die vorhandenen gebaut, Wände vor Wände und Fenster vor Fenster gezogen.
Später ließ er das Mietshaus aus Rheydt an anderen Orten maßstabgetreu wiederholen. "Doublings", "Verdoppelungen" nennt er seine aktuelle Schau in der Düsseldorfer Konrad Fischer Galerie, die parallel dazu und nahezu identisch auch in der Berliner Zweigstelle zu sehen ist.
Der Zugang zum ersten Obergeschoss ist geschlossen, stattdessen findet der Besucher durch einen Spalt im schwarzen Vorhang in einen abgedunkelten Raum und betrachtet Filmstills einer Klinkerfassade mit heruntergelassenen Rollos. Später werden die Häuserzeile einer Kleinstadt und einige, leicht bewegte Äste projiziert, während ein Vogel im grauen Himmel vorbei fliegt.
Der Besucher tastet sich in den nächsten, schwarzen Raum. Drei Lampen, deren Schirme durch schwarze Pappen verlängert sind, senden ein punktuelles Licht auf die Dinge. Ein Körper liegt auf dem Boden und ist mit einem blauen Müllsack bedeckt. Der Lichtstrahl fällt auf rote Jogging-Hosen, beigefarbene Socken und rosa Turnschuhe. Die Schuhe sind recht klein, so dass man sich spontan fragt, ob wir es hier mit einem Menschen oder einer Puppe zu tun haben. Eine absurde Frage allerdings, denn Gregor Schneider spielt mit Original und Kopie, Realität und Kunst.
Er thematisiert nicht nur das Raum-, sondern auch das Zeitgefühl. Im nächsten dunklen Nichts eines Raumes steht eine Stele in der Form eines Grabsteins, in den eine Vagina aus Silikon eingelassen ist, aus der ein goldenes Rinnsal fließt. Auf einem schwarzen Podest liegt eine weiße Brust mit Brustwarze, auf die der Lichtkegel fällt. Leben und Tod, der Körper und seine Fragmente scheinen in so einem Milieu eins zu sein.
Zugleich wird die Orientierung der Besucher hinterfragt, denn das bereits Gesehene des einen Raumes wiederholt sich im nächsten. Durch eine Wand-Aussparung schaut der Betrachter in einen dritten Raum, der schummrig-rosarot wirkt. In ihm spiegelt sich die Stele mit der Vagina aus dem zweiten Raum. Verlässt der Besucher dieses rosarote Milieu, steht er vor weißen Wänden und weißer Tür.
Tritt er ein, schaut er gleichsam zurück in den Raum aus dem er gekommen ist. Nun ist das, was zuvor wie ein Guckloch aussah, ein Spiegelglas. Der Besucher schaut nicht mehr hinaus, sondern hinein, auf sich selbst. Und das Rosarot ist die Fleischfarbe der menschlichen Haut. Durch die Symmetrie der Räume, durch ihre Spiegelung und ihre Wiederholung, kann sich der Besucher nicht mehr zurechtfinden. Die Unterscheidung zwischen Realität und Kunst gelingt nicht mehr.
In der zweiten Etage bei Konrad Fischer sind Fotos von "Haus u r" zu sehen, die Hausnummer 14, der Treppenaufgang, der Blick durch den Türschlitz, der Ausblick einer Frau. Die Frau spült Geschirr, duscht sich, steht hinter der Jalousie. Wir sehen den Duschvorhang und den Bademantel, den Sack und die Hose, die schmale Stiege, die verschachtelten Räume und den Tapetenausschnitt. "Die Familie Schneider" heißt die Schwarzweiß-Fotofolge von 2004, die aus 177 Bildern besteht.
"Haus u r" steht für Unterheydener Straße und Rheydt. Es wurde von Schneider fortlaufend seit 1985 in einer aufwändigen Form bearbeitet. Gregor Schneider vervielfältigte die vorhandenen Räume, indem er komplette Räume bestehend aus Wänden, Decke und Boden hinein baute. Zusätzlich setzte er Motoren ein, um Decken oder ganze Räume in eine nicht mehr wahrnehmbare langsame Bewegung zu versetzen. Seit Mitte der 1980er können Besucher das "Haus u r" besichtigen.
Galerie Konrad Fischer, Platanenstraße 7, bis 17. Januar. Diesen Samstag geschlossen, geöffnet dienstags bis freitags 11 bis 18, samstags 11 bis 14 Uhr. Informationen gibt es unter Telefon 0211/685908.