Kultur Kompakt Karl May als Meister der Selbstüberschätzung
Düsseldorf · Philipp Schwenke liest im Heine-Institut aus seinem Roman „Das Flimmern der Wahrheit über der Wüste“.
Old Shatterhand streckte seine Gegner mit einem Fausthieb nieder, befehligte 15 000 Apachen und beherrschte 1200 Sprachen – ein unfehlbarer Held. Sein Erfinder, der Großschriftsteller Karl May, behauptete, dass er höchstpersönlich diese Heldenfigur gewesen sei. Was niemand anzweifelte. Denn mit Büchern wie „Winnetou“ oder „Durch die Wüste“ avancierte May zum Star-Schriftsteller des Kaiserreichs: Er bediente dessen Sehnsucht nach Größe, Stärke und Respekt in der Welt. Im Jahr 1899 reist der schriftstellernde Hochstapler dann tatsächlich in den Orient. Der Grund: Er hat Angst, dass seine Legende auffliegt und versucht die Zweifel zu zerstreuen, indem er von unterwegs Postkarten verschickt – um beweisen zu können, dass er in Kairo oder Jerusalem war. Doch die Reise ernüchtert Karl May: Der Orient erscheint fern von den Szenerien, die er in seinen Romanen geschildert hat. Die wilde Landschaft ist von den Franzosen und Briten kolonialisiert, statt als Wüstenkrieger agierte May als Tourist, der in komfortablen Hotels übernachtete.
Der Berliner Autor Philipp Schwenke macht diese „größte Geschichte von Selbstüberschätzung“ zum Thema seines Romans „Das Flimmern der Wahrheit über der Wüste“. Inspirieren ließ er sich von den US-amerikanischen Filmregisseuren Ethan und Joel Coen, deren Lieblingsfigur der Mann sei, der sich selbst überschätze.
Am 14. Juli um 15 Uhr liest Philipp Schwenke in der Reihe „Reisebilder“ im Heine-Institut an der Bilker Straße 12-14. Moderieren wird Maren Jungclaus vom Literaturbüro NRW. Der Eintritt ist frei.