Maestro Axel Kober international gefragt Wiener Staatsoper: Mai ist fest in Düsseldorfer Hand

Düsseldorf · Axel Kober, Generalmusikdirektor der Rheinoper, hat derzeit oft mit Wagner zu tun – unter anderem bei Opernabenden in Wien.

Axel Kober hat den ganzen Mai über in Wien zu tun, er dirigiert Wagners „Ring des Nibelungen“.

Foto: Christian Schoppe/DOR

Ende April setzt sich Axel Kober, Generalmusikdirektor der Deutschen Oper am Rhein, ins Flugzeug, wieder ist Wien sein Ziel. Nun aber wird seine Präsenz dort einen ganzen Monat ausfüllen. Kober dirigiert zwei komplette Zyklen von Wagners „Ring des Nibelungen“ in der Wiener Staatsoper; am 4. Mai beginnt er den ersten Zyklus mit „Rheingold“, am 29. Mai endet der zweite mit „Götterdämmerung“. Zuletzt dirigierte er den „Ring“ dort vor drei Jahren. Wer ihn nun in der österreichischen Hauptstadt bei der Arbeit erleben möchte, muss recht tief ins Portemonnaie greifen; die teuerste Karte kostet 259 Euro.

Wie ist das, an dieses legendäre Pult zu treten? Kann man sich daran gewöhnen? Kober gibt seiner Freude im Interview lebhaft Ausdruck: „Nach Wien wiedereingeladen zu werden, ist schon wirklich sehr schön. Es ist eine große Ehre. 2019 hatte ich keine Orchester-, aber Sängerproben. Dieses Mal kann ich vorher auch mit dem Orchester arbeiten, das liegt daran, dass in Wien der ,Ring‘ seit 2019, als ich am Pult stand, auch nicht mehr gespielt wurde.“ Selbst die Wiener Philharmoniker können zwischendurch Auffrischungen und Polituren vertragen.

Bereits frühere „Ring“-Dirigate von Kober wurden sehr gelobt

Schon frühere „Ring“-Dirigate Kobers in Wien wurden von den Opernfreunden und der dortigen Presse, die traditionell überaus kritisch ist, mehr als wohlwollend aufgenommen. So schrieb Wilhelm Sinkowicz, Wiens führender Musikkritiker, in der Tageszeitung „Die Presse“ nach einem „Rheingold“-Abend Kobers: „Der GMD der Deutschen Oper am Rhein ist ein Gewinn für die Staatsoper.“ Der Gastdirigent habe „magistrale Sicherheit“ entfaltet.

Das Kuriose ist, dass der nun anstehende Wiener Staatsopern-Mai sozusagen fest in Düsseldorfer Hand ist. In den Tagen, da Kober mal nicht Wagner dirigiert, steht Adam Fischer, der Chefdirigent aus der Tonhalle, am Pult des Hauses und dirigiert Mozarts „Hochzeit des Figaro“. An 13 von 31 Tagen wird Wien düsseldorferisch dirigiert. „Ring“ und „Figaro“ – das sind in Wien absolute Chefstücke, die überlässt man nur Dirigenten, deren Vermögen, Inspiration, Souveränität und Routine man blind vertraut.

Nach der Vorstellung körperlich und emotional mitgenommen

Trotzdem, der „Ring“ ist nicht ohne, und das sieht auch Kober so: „Er ist ein sehr anstrengendes Unternehmen. Man muss sich konditionieren, um körperlich unbelastet durchzukommen.“ Und hinterher sei man immer mitgenommen von der Vorstellung, sowohl körperlich als auch emotional – „und ich muss reflektieren, was da eigentlich passiert ist“.

Dabei ist Komfort nicht abträglich, auch was die Logistik betrifft: „Dieses Mal bleibe ich im Mai durchgehend in Wien.“ Doch wie lebt man als GMD auf Auslandsreise, noch dazu in einer Stadt wie Wien? Kober: „Ich bin gern mitten in der Stadt und habe eine kleine Wohnung in einem Appartementhaus gemietet. Daheim koche ich oft selbst, die Möglichkeit zu kochen möchte ich immer haben. Aber vielleicht nicht in Wien.“

Vor der Abreise in die österreichische Hauptstadt werden die hiesigen Musikfreunde den Wagner-Experten Kober in einem anderen Zusammenhang hören können – bei der Benefizgala für die Ukraine am 24. April. Da gibt es laut Kober im ersten Teil „ein sehr genau und fein komponiertes Programm“, an dem quasi das gesamte Haus mitwirkt. Angesichts des ernsten Anlasses werden natürlich keine buffonesken Heiterkeits-Orgien geboten, sondern so wunderbare Duette wie das Finale aus Janáceks Oper „Jenufa“. Kober: „In einer Situation wie der aktuellen kann man in einer Gala ja nicht alles aufführen.“

Nach der Pause erklingt dann der dritte Akt aus Wagners Oper „Parsifal“, die Kober besonders am Herzen liegt: „Darin geht es eigentlich um alles, was uns auch in diesen Tagen bewegt. Es geht um Glauben, Frieden, Humanität, Erlösung – und um eine Wunde. Ich persönlich glaube, längerfristiger Frieden in Europa ist nur mit dem Aggressor möglich. In ,Parsifal‘ heißt es sehr passend: ,Die Wunde schließt der Speer nur, der sie schlug.‘“ Zugleich weist Kober darauf hin, wie stark das Werk von Erlösung handelt: „Der Gralskönig Amfortas wird erlöst, auch Kundry wird befreit und muss nicht mehr den bösen Mächten Klingsors folgen. Für Parsifal jedoch beginnen die Aufgaben erst.“

Dieser dritte „Parsifal“-Akt ist übrigens bravourös besetzt: Michael Weinius singt den Titelhelden, Hans-Peter König den Gurnemanz. Das sind für Kober längst gute Bekannte, und Weinius sieht er dann auch bald wieder – der schwedische Tenor singt den Siegfried unter Kobers Leitung an vier Abenden in Wien.

Das Thema Ukraine bewegt Kober nicht nur in seinen Gedanken an die Benefiz-Gala, sondern auch bei der Frage, wie sich Künstler derzeit verhalten sollen: „Das ist ein extrem heikles Thema. Ich finde schon, dass man zu diesem Krieg eine klare Haltung haben kann und haben sollte. Es kann nicht im Sinne der Kunstschaffenden sein, dass Vernichtung über ein Volk gebracht wird, ohne dass darüber geredet und Stellung bezogen wird. Die Sache ist höchst verabscheuenswert. Wir sollten uns allerdings davor hüten, die russische Kunst zu verdammen.“ In der Tat, Tschaikowski kann nichts dafür, dass Putin Menschen foltern und töten lässt.

Aber das ist noch nicht alles mit Wagner. Auch in Bayreuth wird der Düsseldorfer GMD in diesem Sommer zu erleben sein. Vier Mal dirigiert er am Grünen Hügel den „Tannhäuser“. Zwar gebe es darüber hinaus keine weiteren Pläne, „aber das heißt in Bayreuth gar nichts“. Salomonisch und durchaus verheißungsvoll sein Schlusswort dazu: „Wir sind in gutem Kontakt.“