Konzert Bis zehn zählen, hüpfen, Spaß haben

Farin Urlaub und sein Racing Team machten in der Halle an der Siegburger Straße zweieinhalb Stunden lang gute Stimmung.

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Düsseldorf. „Ich zähl’ bis zehn. Dann will ich Euch springen seh’n!“ Schon an Zeilen wie diesen kann man erkennen, dass da ein Arzt auf der Bühne steht. Zwar ist jene Belegschaft an Doktoren nicht dabei, die normalerweise um ihn herum wirbelt und durch hochkonzentrierte Dosen des unkaputtbaren Mittelchens Rock selbst chronisch schlecht gelaunte Menschen grinsen lässt. Aber auch wenn Farin Urlaub, der hauptamtliche Sänger der Berliner Punk-Kapelle Die Ärzte, mit seinem Racing Team unterwegs ist, geht es um das Wichtigste, das es auf der Welt neben Gesundheit und Liebe gibt: Spaß an der Freude.

Bis zehn zählen und loshüpfen eben. Streng genommen ist der Spaßfaktor eines Farin Urlaubs ohne Bela B. und Rod sogar noch ein bisschen höher als mit ihnen. Rasanz und Druck sind höher, weil jetzt nämlich keine Drei-Mann-Kapelle mehr durch die Songs galoppiert, sondern eine zwölfköpfige Big-Band wütet. Mit Background-Sängerinnen, Trompetern, Posaunisten, Tuba-Bläsern und Haare schüttelnden Mädels an Gitarre, Bass und Schlagzeug. Alle sind jederzeit bereit, diese Party aus Punk, Ska, Swing, Metal und lupenreinem Pop eskalieren zu lassen. Es ist ein dreckiges und fröhliches Dutzend, das die Ausschüttung von Glückshormonen bei den über 6000 Zuschauern befeuert und sogar bei Damen und Herren weit jenseits der 40 Synapsen durchbrennen lässt.

Düsseldorf tanzt. Und Düsseldorf singt mit. Fast jedes Wort. So, wie sich das für Fans eines Die-Ärzte-Arztes gehört: Diese Texte hat man einfach drauf. Weil man mit „dem Farin“, wie es Doreen (45) im Ärzte-Shirt so wunderbar kumpelhaft treffend sagt, aufgewachsen ist.

Weil die Kinder von Doreen und Co. - Doreen hat Tochter Nelly (16) mitgebracht - gerade selber mit ihm aufwachsen. Und weil „der Farin“ - egal mit wem er auf der Bühne steht - seit jeher Texte am Start hat, die aus dem Leben gegriffen sind und davon erzählen, was wahr ist und was jeden betrifft. Etwa, dass die Menschheit sehenden Auges in eine bedenkliche Richtung torkelt („Und Du wünschst dieser Welt, dass endlich Hirn vom Himmel fällt“). Dass der Partner, der einen verlässt, doof ist („Ich hasse Dich“). Dass Petzen zu den Grund-Übeln der Gesellschaft zählt („Und ich schätze, du fühlst dich gut dabei, du Petze!“). Und dass jeder Mensch für sich perfekt und vollkommen und schön ist - es sind einfach nur die anderen, die zu dünn, zu groß oder zu schnell und zu geschickt sind.

Doreens und aller anderen hier Versammelter „der Farin“, dieser blonde Hüne, der sich zwischen Touren und Plattenaufnahmen regelmäßig monatelang auf Weltreise begibt und unerkannt in der Anonymität Asiens oder Südamerikas untertaucht, ist hierzulande ein Teil Allgemeingut der Menschen. Ein Popstar, der anstatt Schweinerock und breitbeinigem Gepose lieber „Überlebensstrategien für das dritte Jahrtausend“ liefert. Und einer, der einen außerordentlichen Spaß daran hat, sein Publikum mit den Händen wedeln, zischend Blitz-La-Olas starten oder in den besonders wilden Momenten auseinanderrennen und wieder zusammenkrachen zu lassen. Am Ende, nach fast zweieinhalb Stunden und damit nur knapp unter der Dauer einer Die-Ärzte-OP, wird dann nochmal gezählt. Von eins bis zehn. Bis alle Leute in der Halle hüpfen. Lächeln tun sie sowieso schon die ganze Zeit.