Connie Palmen: „Der Künstler ist dämonisch“
Interview: Die niederländische Autorin liest im Heine-Haus aus ihrem neuen Roman „Luzifer“.
<strong>Düsseldorf. "Luzifer" von Connie Palmen ist ein Roman über die Kunst und zugleich ein Thriller. Im Zentrum steht ein tödlicher Sturz. Der Komponist Lucas Loos sitzt auf der Terrasse seines Ferienhauses auf einer griechischen Insel, zwei junge Männer lauschen gebannt, während er über sein neues Werk doziert. Seine Lebensgefährtin Clara sitzt auf der Brüstung und versucht, die Aufmerksamkeit der jungen Männer auf sich zu lenken. Plötzlich stürzt sie von der Terrasse 40 Meter in die Tiefe und ist sofort tot. Was genau passiert ist, weiß höchstens Lucas, aber in sein Inneres gewährt uns die Autorin keine Einsicht. Er ist das geheimnisvolle Zentrum eines Buches, in dem wir die Gefühle und Gedanken vieler Künstlerpersönlichkeiten teilen dürfen, aber Lucas wird nur von außen gesehen.
Frau Palmen, warum haben Sie gerade Ihrer Hauptfigur die allwissende Erzählerperspektive verweigert?
Palmen: Eine allwissende Erzählerperspektive gehört nicht in einen Roman, der die Allwissenheit oder die eine große Wahrheit in Frage stellt. Tatsache ist, dass niemand im Roman weiß, was geschah, auch Lucas nicht. Niemand kennt die Wahrheit, und nur so können Geschichten, kann die Literatur aufblühen, gedeihen. Das Fehlen von Allwissen ist der Boden für so etwas wie Kunst.
"Luzifer" ist der Name des gefallenen Engels. Der Roman handelt von Künstlern, von Musikern und Schriftstellern. Sind Künstler etwas Dämonisches?
Palmen: Wenn man das Dämonische als eine Tragik sieht, ja, dann ist der Künstler dämonisch. Das Tragische ist immer ein Konflikt, dem man nicht entrinnen kann. Jeder Künstler kennt den Konflikt zwischen dem Verlangen, eine bestimmte Art von Wahrheit zu erschaffen und dem absoluten Unglauben daran, dass Wahrheit existiert. Der Schriftsteller weiß, dass Geschichten Menschen schaden können, aber das Einzige, was er tun kann ist, eine andere Geschichte zu schreiben. Darin liegt etwas Dämonisches.
Ihr Roman spielt in der Amsterdamer Bohème der 70er Jahren: Es wird viel getrunken, geraucht und vor allem geredet: über Weltverbesserungsentwürfe und Kunstrevolutionen. Besonders an einem Tisch, zu dem nur die Elite Zutritt hatte, und zwar nur Männer! Gab es diesen "Herrentisch" wirklich?
Palmen: Obwohl ich in jenen Tagen schon viel unterwegs war, war ich nie Teil eines "Tischs", eines Klubs oder sonst einer Gruppe von Menschen, die so etwas Schreckliches wie Mitglieder kennen. Der "Herrentisch" in "Luzifer" könnte manche Leser an einen berühmten, eher biblischen "Herrentisch" erinnern, und auch von dem wissen wir nicht, ob er wirklich existiert hat.
Die Frauen in Ihrem Roman haben alle etwas Hysterisches an sich; sie leiden als Partnerinnen der Künstler und quälen diese gleichzeitig. Überhaupt ist die Liebe meistens sehr düster gezeichnet. Sehen Sie im Rückblick diese Zeit als unheilvoll für die menschlichen Beziehungen?
Vita Connie Palmen, geboren 1955, lebt in Amsterdam, wo sie Philosophie und niederländische Literatur studierte. Schon ihr erster Roman "Die Gesetze" wurde ein internationaler Bestseller, es folgten "Die Freundschaft", "I.M." über ihren früh verstorbenen Mann, "Die Erbschaft" und "Ganz der Ihre". Sie ist mit dem ehemaligen Außenminister der Niederlande, Hans von Mierlo, liiert.
Lesung Aus ihrem neuen Roman "Luzifer" (Diogenes Verlag) liest Palmen am Montag, 3. März, ab 19.30 Uhr im Heine-Haus, Bolkerstraße 53. Die Moderation übernimmt Christoph Buchwald vom Cossee Verlag, Amsterdam.